Achleitner: Die Plotteggs kommen

Achleitner: Die Plotteggs kommen

Wolfgang Krisai: “Waldwiese”. Wasservermalbare Ölkreide, 2004. Rätselfrage: Was fehlt in diesem Bild? Die Antwort ergibt sich aus nachfolgendem Eintrag!

Bei der Wiener Buchmesse „Buch Wien“ Ende November 2013 ackerte ich mich vier Tage lang durch das Buch- und Lesungsangebot der österreichischen Verlagswelt. Am Stand des Verlags Sonderzahl entdeckte ich ein unscheinbares, dünnes Büchlein mit dem kryptischen Titel „Die Ploteggs kommen“. Hätte es nicht Friedrich Achleitner geschrieben, hätte ich es vielleicht nicht weiter beachtet. Achleitner ist ja ein scharfer Beobachter der kleinen Seltsamkeiten des Alltags, zum Beispiel in der Wiener U-Bahn. Oder im heimatlichen Innviertel. Außerdem ein profunder Kenner der modernen Architektur Österreichs.

In diesem Bändchen nun lernt man ihn auch als Genießer des ruralen Österreich kennen, dem – wie jedem Wanderer und Spaziergänger in Österreich – natürlich jene seltsamen riesenhaften Plastikballen nicht entgangen sind, die sich im Schutz von Waldrändern oder Hecken verschämt bis unverschämt auf den Wiesen breit machen.

Wer es noch nicht wusste, weiß es nach der Lektüre dieses Buches: Das sind die „Plotteggs“. Man ist schon versucht, den Namen als „von einer außerirdischen Verschwörerbande gelegte Rieseneier“ zu interpretieren, doch dann stellt sich heraus: Achleitner benannte sie schlicht nach seinem Freund Manfred Wolff-Plottegg, dem er genauere Kenntnisse über die wahre Natur dieser Fremdkörper verdankt. Es sind mittels einer technischen Apparatur, die an einen Traktor gekoppelt ist, hergestellte Heuballen, deren luftdichte Plastikhülle im inneren einen Gärungsprozess ermöglicht, der aus Gras lange haltbares, für Tiere offenbar irgendwie genießbares „Silofutter“ macht, weshalb die dicken weißen oder grünlichen Kugeln auch „Silagen“ heißen.

Achleitner gewinnt dem Phänomen allerlei kuriose Aspekte ab, die zum Teil ins Surrealistische hinübergleiten. Etwa, wenn von den Gefahren der Plottegg-Explosionen die Rede ist, die ganze Landstriche verwüsten können. Auch die Frage, wie sich der Spaziergänger, dessen erholungssuchender Blick lieber biedermeierliche Idyllen als agrarische Verunstaltungen sehen will, mit den Plotteggs auseinandersetzt, beschäftigt ihn. Natürlich erfährt man auch so nebenbei, wie diese Dinger gemacht werden.

Den Abschluss bildet ein P.S.: In Graz sei Achleitner 1992 vor dem Künstlerhaus auf einige Plotteggs gestoßen, diese aber „provozierten in der Nacht bei den Passanten die wildesten Einfälle: Einige wurden auf die Fahrbahn gerollt, andere aufgeschnitten und angezündet oder in die Mur geworfen. Obwohl sich, wie man den sehr objektiven Polizeiberichten entnehmen kann, die Plotteggs völlig passiv verhielten, lösten sie die größten Aggressionen aus. Ja gerade ihre geballte Passivität, ihre stumme Anwesenheit, hatte die Aktionen der Grazer provoziert“ (Seite 45).

Friedrich Achleitner: Die Plotteggs kommen. Sonderzahl-Verlag, Wien, 3. Auflage 2013. 47 Seiten. Mit Fotos.



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