Alle Welt regt sich darüber auf, dass man ab Oktober in den Läden nichts anderes mehr bekommt als Christbaumkugeln, leuchtende Rentiere und Lametta. Können die nicht etwas später anfangen mit ihrer Konsumwut, fragen wir uns, ärgern uns grün und blau darüber, dass sogar das WC-Papier nur noch mit Engelchen-Aufdruck zu haben ist und greifen dann doch zu, um unseren Alltag in ein vorweihnachtliches Traumland zu verwandeln.
Darüber ereifert sich jeder, der etwas auf sich hält. Warum aber greift sich kaum einer an den Kopf, wenn ab August die Läden voll sind mit Jahresplanern, Kalendern und Agenden? Die Rede ist hier nicht von den Schüleragenden, die verständlicherweise zu Beginn des Schuljahres in allen Farben und Grössen erhältlich sind. Die Rede ist von den richtigen Jahresplanern, denjenigen, die mit dem 1. Januar anfangen und dem 31. Dezember enden. Von richtigen Kalendern, solchen mit ganz viel Platz für all die Termine, die das neue Jahr, das noch so weit entfernt zu sein scheint, mit sich bringen wird. Damit hat kaum einer ein Problem; im Gegenteil, man fühlt sich grossartig, wenn man ein Mensch ist, der vorausschaut und deshalb schon im Hochsommer dafür sorgt, dass keiner der Termine in der Lücke zwischen dem einen und dem anderen Kalender verloren geht.
Sind wir nicht vollkommen durchgedreht? Wenn wir im Oktober dem Christbaumschmuck nicht widerstehen können, verbergen wir ihn im Einkaufswagen verschämt unter Kohl, Kürbis und Kastanien, damit auch ganz bestimmt keiner sieht, dass wir dem Weihnachtszauber zu früh erlegen sind. Kaufen wir uns im August einen Jahresplaner, erröten wir etwa über beide Ohren, wenn wir dabei von einer Bekannten erwischt werden? Aber nein, nicht doch. Wir seufzen mit gespielter Verzweiflung, dass wir unser Leben eben nur noch überschauen können, wenn wir frühzeitig mit dem Planen anfangen.
Das Leben überschauen? Erkennen wir denn nicht, wie durchgedreht diese Idee, der wir alle unbewusst huldigen, ist? Glauben wir denn wirklich, wir könnten damit dem Leben etwas entgegensetzen? Im Sinne von: „Ach so, mein Leben, du hast im Januar etwas Unvorhersehbares mit mir vor? Lass mal sehen… Also, am Zwölften da hätte ich von 14 bis 15 Uhr noch einen Termin frei und am Vierzehnten, da könnte es vielleicht passen, wobei, nein, das geht nicht, das wird zu knapp…aber schau mal da, am Fünfundzwanzigsten habe ich den ganzen Vormittag frei, was meinst du, würde es dir dann passen? Ich trage das schon mal in meine Agenda ein, damit ich dann auch ganz bestimmt Zeit habe für das, was du mit mir vorhast…“
Irre ich, oder könnte es sein, dass das Leben lauthals lachen wird, wenn wir ihm unseren fein säuberlich notierten Terminplan präsentieren?