Die FDP feierte sich letzte Woche als Partei sozialen Ausgleiches. Sie erklärte diesen sozialen Ansatz damit, dass sie sich für eine Abschaffung der Praxisgebühr aussprach. Zehn Euro pro Quartal ist der FDP ein sozialer Anstrich schon wert. Es ist für sie eine Investition, die ihr nicht schwerfällt, denn sie sieht die Praxisgebühr ohnehin für gescheitert an. Sie habe nie erfüllt, was man sich von ihr versprochen habe, denn sie hat nicht ausreichend vor Arztbesuchen abgeschreckt. So sagte das jedenfalls irgendein FDP-Landesminister nach dem sozialen Entschluss. Eine Erklärung, die deutlich macht, welches soziale Herz in der Brust dieser Partei pocht.
"Wie viel Bekenntnis zum Sozialstaat steht etwa hinter Aussagen wie beispielsweise jener, dass die Praxisgebühr gescheitert sei, weil sie leider keine abschreckende Wirkung gezeigt hätte? Ist es etwa sozialstaatlich, Patienten vorm Arzt zurückschrecken zu lassen? Und was schlussfolgert man daraus? Etwa höhere Gebühren, die effektiver verschrecken sollen? Eine Rechnung für jeden Arztbesuch? Wäre das der Krankenschreck schlechthin? [...] Wird erst mal mit abschreckenden Wirkungen über Patienten verfügt, so ist es um den Gehalt von Demokratie und Sozialstaat schlecht bestellt. Zum Arztbesuch ermuntern - das wäre sozial, das würde Verantwortung zeigen! Aber Erkrankte abschrecken - das ist, wie gesagt, rüpelhaft und verantwortungslos", schrieb ich vor etwa zwei Jahren in meinem Essay Worte.
Klar, sie haben die Gebühr nicht erhöht, so wie es mir im obigen Text schwante, sie sind gegenteilig von ihr abgefallen. Aus taktischen Gründen. Nichtsdestotrotz machen sie eine verbitterte Miene, sind sichtlich enttäuscht, weil sie nicht so wirkte, wie sie sich das vorgestellt hatten. Kranke vom Gesundheitswesen fernzuhalten ... oder halt, seien wir doch mal detailverliebter, sagen wir es richtig: Arme Kranke vom Gesundheitswesen fernzuhalten, das war die Absicht. Nun war die Gebühr ein Rohrkrepierer.
"Das Schlechte und Verhindernswerte, das Verbrechen, bedarf der Abschreckung - wenn Patienten abgeschreckt werden sollen, konnotiert man sie mit dem Schlechten und Verhindernswerten. Nicht die Krankheit soll verhindert werden, sondern der Kranke. Plötzlich sitzen die Abgeschreckten im gleichen Boot. Der Verbrecher wird nicht Patient, aber der Patient wird unterbewusst zum Verbrecher. Krankheit als Verbrechen! Krankheit als Schuldfrage! Willkommen im Mittelalter, in dem Krankheit als Strafe, Gesundheit als Bedrohung über einen kam. Dies lässt sich auch etymologisch zurückverfolgen: Das etwas aus der Mode gekommene Synonym für Qual oder Leid, das Wörtchen 'Pein' (englisch pain, spanisch pena, französisch peine), es entstammt dem lateinischen poena, 'der Schuld'. Der von Schmerz, Übelkeit, Fieber Gepeinigte, er trägt die Schuld also schon begrifflich mit sich herum. Abschreckende Wirkungen besinnen sich dieser Wortherkunft ...", schrieb ich damals weiter.
Obgleich die FDP die generöse Sozialpartei mimt, schlägt doch ihre Weltanschauung hervor. Es läßt sich nicht leugnen, nicht verbergen. Man kann einem Schimpansen Hosen anziehen und ein Hemd überwerfen, er bleibt doch immer ein Schimpanse. Wenn diese Partei ihre wichtigtuerischen Minister auflaufen läßt, die einheitlich die fehlende abschreckende Wirkung bedauern, unter der die Praxisgebühr litt, dann zeigt sie sehr genau die soziale Beschaffenheit, mit der sie nun vorgibt, eine Partei für die Menschen sein zu wollen.
Die Abschaffung ist insofern nicht als Erleichterung für die Bürger gedacht, sondern als Beendigung eines erfolglosen Konzepts, das dafür ersonnen wurde, kranke und sieche Menschen mit ihrer Not alleine zu lassen. Und das verkauft die FDP als soziales Gewissen. Ich nannte das im damaligen Essay "ein schamloses Gemeinwesen, das seine Kranken abzuschrecken versucht" - die FDP ist der offizielle Vertreter dieser Schamlosigkeit. Auch wenn sie momentan versucht, dieses Weltbild bis zur nächsten Wahl nicht zu sichtbar zu vertreten ...
"Wie viel Bekenntnis zum Sozialstaat steht etwa hinter Aussagen wie beispielsweise jener, dass die Praxisgebühr gescheitert sei, weil sie leider keine abschreckende Wirkung gezeigt hätte? Ist es etwa sozialstaatlich, Patienten vorm Arzt zurückschrecken zu lassen? Und was schlussfolgert man daraus? Etwa höhere Gebühren, die effektiver verschrecken sollen? Eine Rechnung für jeden Arztbesuch? Wäre das der Krankenschreck schlechthin? [...] Wird erst mal mit abschreckenden Wirkungen über Patienten verfügt, so ist es um den Gehalt von Demokratie und Sozialstaat schlecht bestellt. Zum Arztbesuch ermuntern - das wäre sozial, das würde Verantwortung zeigen! Aber Erkrankte abschrecken - das ist, wie gesagt, rüpelhaft und verantwortungslos", schrieb ich vor etwa zwei Jahren in meinem Essay Worte.
Klar, sie haben die Gebühr nicht erhöht, so wie es mir im obigen Text schwante, sie sind gegenteilig von ihr abgefallen. Aus taktischen Gründen. Nichtsdestotrotz machen sie eine verbitterte Miene, sind sichtlich enttäuscht, weil sie nicht so wirkte, wie sie sich das vorgestellt hatten. Kranke vom Gesundheitswesen fernzuhalten ... oder halt, seien wir doch mal detailverliebter, sagen wir es richtig: Arme Kranke vom Gesundheitswesen fernzuhalten, das war die Absicht. Nun war die Gebühr ein Rohrkrepierer.
"Das Schlechte und Verhindernswerte, das Verbrechen, bedarf der Abschreckung - wenn Patienten abgeschreckt werden sollen, konnotiert man sie mit dem Schlechten und Verhindernswerten. Nicht die Krankheit soll verhindert werden, sondern der Kranke. Plötzlich sitzen die Abgeschreckten im gleichen Boot. Der Verbrecher wird nicht Patient, aber der Patient wird unterbewusst zum Verbrecher. Krankheit als Verbrechen! Krankheit als Schuldfrage! Willkommen im Mittelalter, in dem Krankheit als Strafe, Gesundheit als Bedrohung über einen kam. Dies lässt sich auch etymologisch zurückverfolgen: Das etwas aus der Mode gekommene Synonym für Qual oder Leid, das Wörtchen 'Pein' (englisch pain, spanisch pena, französisch peine), es entstammt dem lateinischen poena, 'der Schuld'. Der von Schmerz, Übelkeit, Fieber Gepeinigte, er trägt die Schuld also schon begrifflich mit sich herum. Abschreckende Wirkungen besinnen sich dieser Wortherkunft ...", schrieb ich damals weiter.
Obgleich die FDP die generöse Sozialpartei mimt, schlägt doch ihre Weltanschauung hervor. Es läßt sich nicht leugnen, nicht verbergen. Man kann einem Schimpansen Hosen anziehen und ein Hemd überwerfen, er bleibt doch immer ein Schimpanse. Wenn diese Partei ihre wichtigtuerischen Minister auflaufen läßt, die einheitlich die fehlende abschreckende Wirkung bedauern, unter der die Praxisgebühr litt, dann zeigt sie sehr genau die soziale Beschaffenheit, mit der sie nun vorgibt, eine Partei für die Menschen sein zu wollen.
Die Abschaffung ist insofern nicht als Erleichterung für die Bürger gedacht, sondern als Beendigung eines erfolglosen Konzepts, das dafür ersonnen wurde, kranke und sieche Menschen mit ihrer Not alleine zu lassen. Und das verkauft die FDP als soziales Gewissen. Ich nannte das im damaligen Essay "ein schamloses Gemeinwesen, das seine Kranken abzuschrecken versucht" - die FDP ist der offizielle Vertreter dieser Schamlosigkeit. Auch wenn sie momentan versucht, dieses Weltbild bis zur nächsten Wahl nicht zu sichtbar zu vertreten ...