Foto: Frontmotor
Vorige Woche trumpfte die Wirtschaftswoche (wieder einmal) mit einem Exklusivbericht über Elektromobilität auf (Link). Sie hatte McKinsey beauftragt, die nationalen Strategien verschiedener Industrieländer mit dem deutschen "Masterplan" zu vergleichen und zu gucken, wo Deutschland steht.
McKinsey ist immer noch ein großer Name, auch wenn er durch die Finanzkrise an Strahlkraft eingebüsst hat. Christian Malorny, Direktor und Autoexperte bei der Unternehmensberatung McKinsey wittert hier trotzdem Geschäft für seine Beratungsgesellschaft und geht das Hypethema genauso widersprüchlich an, wie vor zehn Jahren das Thema Internet. Zusammengefasst etwa so:
Rede darüber, worüber alle gerade reden (Elektromobilität). Erzeuge operative Hektik, indem du berichtest, dass irgendwie alle in dem Thema "unterwegs" sind und ihre Projekte "auf der Schiene" haben. Nenne ein paar allgemein anerkannte Barrieren, die der schnellen Verbreitung der Elektromobilität im Wege stehen (Batteriereichweite). Stelle das in Gegensatz zu den Zielen, die alle unterstützen ("müssen umstellen", "weg vom Öl"). Verschärfe die Angst, gerade etwas zu verpassen, durch nebulöse Prognosen ("Karten werden neu gemischt", "neue Märkte werden gerade besetzt",..), denen irgendwie alle zustimmen können.
Das wichtigste: Stelle jetzt nicht Annahme oder Ziel in Frage (nein! Daran hängt dein eigenes Geschäftspotenzial.). Sondern bilde einen Widerspruch, der zwar die anfängliche Annahme in Frage stellt, aber hier dazu missbraucht wird, Handlungsdruck zu erzeugen. Schüre Panik, in dem du die Frage nach der richtigen Richtung nicht beantwortest (was man von einem Berater eigentlich erwarten sollte) sondern weiter aufwertest und dann in die Luft wirfst, denn so erzeugt man Beratungsnachfrage:
Sage: "Das Rennen um den lukrativsten Markt der Zukunft ist eröffnet. Die Märkte werden JETZT besetzt." Denke nur für dich: "Unterwegs stoßen wir auf so große Hindernisse, das wir Zweifel bekommen, ob der Markt überhaupt lukrativ ist." Sage: "Jetzt muss gehandelt und geholfen werden." Meine damit: "Wir brauchen nicht nur Subventionen für die Entwicklung, wir brauchen auch noch Zuschüsse zum Kauf eines E-Mobils."
Neben McKinsey hat diese Woche auch Daimlerchef Zetsche in diese Richtung geredet (HB-Interview):
Hätten wir eine wirklich liberale Regierung, würde sie sagen: Wenn ihr da einen Markt seht, den ihr "besetzen" wollt, dann bedient Euch der Mittel der Marktwirtschaft. Wenn ihr da dauernd Subventionen braucht, ist da vielleicht gar kein Markt. Die anderen kämpfen nämlich mit den gleichen Schwierigkeiten wie ihr.
Dazu sagt McKinsey: Nein, man darf nicht zögern, die Märkte werden "jetzt besetzt". Das ist Unsinn. Märkte werden nicht besetzt. Wer heute einen Toyota gekauft hat, kauft morgen eine andere Marke, wenn die besser oder günstiger ist. Aber das Bild funktioniert im Kopf: Militärische Metapher, da rollen Panzer und "besetzen" einen Markt. Schwachsinn!
Daimlerchef Zetsche sagte sogar: Wenn die Bundesregierung uns nicht hilft, dann macht der Masterplan keinen Sinn mehr. Dann verzichten wir auf den Leitmarkt Elektromobilität in Deutschland. Das ist das Geständnis, dass es hier gar keinen großen Markt gibt. Er tut sogar so, als habe die Wirtschaft der Regierung nur einen Gefallen tun wollen, indem sie hier mitmacht. Man fragt sich, was denn nun das eigentliche Ziel dieses "Nationalen Plans Elektromobilität" gewesen ist?
Der Plan selbst (Link) hat nicht mehr zutage gefördert, als die Unternehmen in ihren eigenen Reihen auch selbst analysieren konnten. Der Plan selbst liest sich wie früher ein Fünfjahresplan und trägt damit die Handschrift der Kanzlerin. Die "Handlungsfelder" sind ebenfalls eine Zusammenfassung von Selbstverständlichkeiten. Der Plan macht den Eindruck von viel technischem Sachverstand (bis hinunter auf Doppelschichtkondensatoren wird geplant), aber die Rolle der Bundesregierung bleibt unklar.
Bin gespannt, wo sie zum Jahresende stehen werden. Da endet die Phase 1 "Marktvorbereitung". Ergebnisse sollen sein:
- Produktionsanlauf Li-Ionen Gen1; Entwicklungsanlauf der Li-Ionen Gen2
- Fertigung von Hybridautos (tatsächlich!) auf Basis bestehender Plattformen als Prototypen
- Test und Simulation der Erprobung von Netzeinbindung
- Öffentliche Ladestationen
- Studien zur Kopplung mit erneuerbaren Energien
- Standards für Sicherheit und Ladeschnittstellen
- Einsatz in Flottenversuchen (erst für 2016 ist der Einsatz bei Privaten "geplant")
Was bewirkt so ein Plan? Doch vor allem, dass alle Marktteilnehmer schön synchron vorgehen. Innerhalb Deutschlands muss man sich zumindest gegenseitig keinen Stress machen, was Tempo angeht. Gut, mag der Plan auch ehrgeizig sein, aber unter den Teilnehmern gibt es mit diesem Plan eine Absprache.
Entscheidend ist, dass seitens der Regierung zwar etliche Forschungsgelder zugestanden sind, aber keine Kaufanreize. Wer das jetzt zur Bedingung machen will, der will sich von diesem Plan schon wieder verabschieden. Die Geschäfte laufen doch auch so hervorragend. Die Leute kaufen wieder so, wie vor der Krise. Warum sollte man da etwas ändern? Nicht mehr lange, wenn sich keiner mehr erinnern kann, wie sich die Krise anfühlte, dann werden alle diesen Plan noch mal lesen und sich wundern, wie man so einem Zehnjahresplan jemals zustimmen konnte. Sei es, weil man nicht mehr an den Markt glaubt, sei es, weil man selbst auf Lösungen gekommen ist, mit denen man sich von den anderen differenzieren kann.
Man stelle sich vor, Schröder-Deutschland hätte auf gleichem Wege versucht, zum "Leitmarkt" für eCommerce zu werden. Hier gab es auch Schwierigkeiten, war dauernd von Netzeffekten und Henne-Ei-Problemen die Rede. Bertelsmann Buch wartete auf amazon, Bertelsmann Music kriminalisierte seine Kunden, Siemens predigte, Voice over IP funktioniere prinzipiell nicht, die Telekom kassierte überteuerte Gebühren (vor allem für Dialer), irgendwie schwangen alle große Töne, kauften irgendwann überteuert Startups ein und dampften sie anschließend ein. Etwas Definierendes wie einen Leitmarkt sie leisteten aber nichts.
Aber vielleicht fehlte hier ja nur ein Zehnjahresplan der Bundesregierung.