Abschied für immer und nie
Amy Reed
Harper Collins, 2015
978-3959670104
16,90 €
Ein Leben außer Kontrolle. „Mal im Ernst, Evie, was haben wir schon zu verlieren?“ Was die krebskranke Evie noch will, ist eine letzte Reise. Noch einmal das Adrenalin in den Adern spüren. Noch einmal auf den Rat ihrer Freundin Stella hören: Lebe wagemutig. Aber die Flucht aus der Klinik wird alles verändern … Evie fällt es unsagbar schwer, in die Welt der Gesunden zurückzufinden. Bis sie Marcus trifft. In seiner Nähe fühlt sie sich lebendig. In seinen Exzessen, seinen fantastischen Höhenflügen. Nur ahnt sie nicht, dass sie nur einen Schritt vor dem Abgrund steht …
Evie ist die Hauptdarstellerin und sie ist nicht ohne Fehler. Sie ist erst brav, lieb und irgendwie einsam. Sie hat zwei Freunde auf der Station, die sie wirklich mag. Später wird ihr dieses Gefühl im Weg stehen. Sie ist aber auch wild und anders. Passt nicht mehr in die Welt, die ihr zugeteilt worden ist und darüber reden wir.
Stella ist die eigentlich wilde, liebt angeblich Mädchen, hört laute Musik und ist immer gut drauf. Sie trägt Hut und ist anders. Ihr verdankt Evie eine ziemlich gute Zeit und viel Mut, den sie braucht, um andere Dinge zu tun.
Caleb ist der Dritte im Bunde. Ruhig, sehr krank und sehr gefühlvoll, macht er alles mit, fragt aber auch mal nach dem “Warum?”.
Eine große Rolle spielen die Eltern von Evie und ihr Freund Will. Ich konnte Will immer verstehen, habe manche Reaktionen von ihm gemocht und andere verteufelt. Ihre Eltern sind fürsorglich an Stellen, die nichts bringen und wütend, wenn Evie nicht so ist, wie sie es nachvollziehen können.
Ein Krankenhaus, drei verschiedene Zimmer mit drei verschiedenen Jugendlichen. Eine Welt draußen, die sie oft nicht versteht, es aber zumindest versucht. Später dann eine Welt, die nicht mehr so ist, wie vorher. Schmerz, Ungerechtigkeit und ein Leben, das einfach nicht mehr ist.
Evie ist nicht die “Typische” Krebskranke. Gerade jetzt, nachdem die Serie “Club der roten Bänder” im Fokus der Medienwelt stand, ist es schwierig für mich, über Evie nachzudenken. Sie ist eigentlich eine ganz “brave” Kranke. Sie lässt sich lächeln, wenn die Eltern da sind. Sie fühlt den Schmerz, wenn sie es soll und denkt an den Tod, wenn sie es muss. Bis sie merkt, dass das Leben wirklich noch beschissener sein kann, als “nur” Krebs zu haben. Ihr meint, es widerspricht sich, was ich schreibe? Gut möglich, aber Evie erlebt genau das.
Sie gibt sich die Schuld an einem Tod, sie gibt sich Schuld an einem Wunder, dass ihr widerfährt. Sie wird gesund und findet es schwierig. Eben noch das kranke, verhätschelte Kind, soll sie nun wieder die Evie sein, die sie vorher war. Für sie unmöglich – für ihre Umwelt unabdingbar. Was also tun? Diesen schmalen Grat zwischen Akzeptanz, dem Willen zu leben und dann dem Willen zu sterben, versucht Amy Reed darzustellen. Es gibt Flüche, Tränen, Morphium, Folgekrankheiten. Freunde, die das beste wollen und das Falsche machen. Menschen, die Dinge erwarten, die “danach” nicht mehr möglich sind und die beim Selbstfindungsprozess im Weg stehen, da sie meinen: “Es ist gut so, wie es ist.”
Meist kann ich Evies Gefühle nachvollziehen. Manchmal will ich die Menschen, um sie herum, einfach nur schütteln. Aber auch Evie will ich manchmal schlagen. Es ist ein stetiges auf und ab. Als Leser ist man ziemlich machtlos. Versteht mal die eine, mal die andere Seite.
Es war ganz und gar kein schlechtes Buch, aber zum Ende hin baut es langsam ab. Evie wird zu hart, ist beständigen gegen ihre Welt und das ist wahnsinnig anstrengend. Erst als der Leser wieder Hoffnung hat, wirklich an etwas Gutes denkt, wird es noch schlimmer. Das Buch ist zu Ende und ich mag das Ende nicht. Es lässt mich in der Luft hängen, gibt keinen richtigen Abschluss, sondern nur Trauer und Wut. Das wollte ich so nicht. Wenn diese Reaktion beabsichtigt war, hat die Autorin alles richtig gemacht. Trotzdem ziehe ich dafür einen Bücherpunkt ab.
Es ist kein Hingucker. Es schreit auch nicht nach Aufmerksamkeit mit dem eher unauffälligen Cover. Die Leseprobe sieht genauso aus, also “Vorsicht” damit Ihr beim Lesen nicht ohne Ende da steht.
Wenn man nicht die Leseprobe liest und kein kuscheliges “Ich habe Krebs-Buch” mit Schmerz und Angst sucht, ist das Buch von Amy Reed eine gute Wahl. Ihre Protagonistin ist ernst, wütend, traurig, aber auch unbeherrschbar.