Abriss-Exkursionen: Was von der Zukunft übrig blieb


EBR1 war ein Forschungsreaktor, doch er funktionierte. 1947 von der Atomic Energy Commission beschlossen, wurde 1949 auf einem neuen Testgelände in Idaho mit dem Bau begonnen. Das nächste Örtchen in der Nähe heißt Arco, es hat 2000 Einwohner und verfügt über einen Atomaltar direkt an der Straße, der die segensreiche Wirkung der Kernenergie preist: Seit dem großwirtschaftlichen Einsatz des Atomreaktors keine Energiekrisen mehr, seit der Erfindung der Atombombe keine Weltkriege. In Arco leben zahlreiche ehemalige Angestellte des EBR1, alle anderen Einwohner fahren zur Arbeit ins nahegelegene Testgelände der Idaho National Laboratories, wo die US-Streitkräfte früher ihre Kanonen ausprobierten.
Arco verhält sich zum Wendtland wie Kopf zu Zahl: Vorbehalte gegen Atomenergie. Atom macht stolz: Vier verschiedene Reaktorkerne haben den EBR angetrieben, der erste bestand aus hochangereichertem Uran, der zweite aus Uran und Zirconium, der dritte verursachte 1955 eine partielle Kernschmelze, der vierte heizte dann trotzdem mit Plutonium - zum zweiten Mal war der EBR-I damals Allererster weltweit.
Aus der Nahsicht wirkt die Technik wie die ganz normale Ausstattung eines für den Export ins nichtsozialistische Ausland hergestellten Pkw Wartburg. Massig gebaut, aber nicht verrostet, sorgfältig gestrichen, aber äußerst altertümlich. Die Leitwarte wird mit Knöpfen und Drehrädern gesteuert, Analoganzeigen erinnern an die großen Tage der "Raumpatrouille Orion", Bilder aus den Tagen des Betriebs zeigen Männer in weißen Kitteln mit Zigaretten in der Hand, wichtig an großen Tischen sitzend. Sie schauen beiläufig in die Kamera, als wüssten sie genau, dass es bis zum Eintreffen der Ergebnisse ihrer menschenverachtenden Experimente an lebenden Außerirdischen noch ein paar Minuten dauern wird.
Der EBR ist ein Steinhülle gewordenes Dokument großer Visionen und geplatzter Träume. Hier wurde die Atomkraft zur materiellen Gewalt, aber hier wurde auch klar, dass ihre Nutzung schwieriger sein wird als ursprünglich gedacht. Draußen vor der Tür stehen zwei ganz und gar nackte Reaktoren, die einst von General Electric als Zwischenstufen auf dem Weg zu einem Mini-Reaktor gedacht waren, mit dem die US-Air-Force Flugzeuge antreiben wollte. Drinnen ist es düster und warm, die beiden Kühlmittelkreisläufe sind ebenso wenig zu sehen wie das Flüssigmetall aus Natrium und Kalium, das früher darin herumschwappte. Aber die Funktionsweise ist zu verstehen: Der kochende Kern heizte das Wasser, ein Wärmetauscher fing es ein, eine Turbine trieb dann einen Generator an.
Radioaktiv ist im Inneren nichts mehr, jedenfalls nicht mehr als im 200 Meilen entfernten Yellowstone-Nationalpark. Abgerissen werden soll der Reaktor nicht, auch nicht im Rahmen der PPQ-Aktion Abriss-Exkursionen. Er steht seit 1976 als National Historic Landmark zur Besichtigung offen, zumindest im Sommerhalbjahr. Die historischen Glühbirnen werden mit Strom aus dem öffentlichen Netz betrieben, es sind auch nicht mehr die Originale. Von denen gibt es nur ein Foto, schwarzweiß. Aber auf dem leuchten sie ewig.
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