Abriss-Exkursionen: In Führers Wunderfabrik

"Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen", sang Zarah Leander, aber danach sieht es nicht aus an dem ort, an dem einst die Wunderwaffen entwickelt wurden, mit denen das Dritte Reich seine tausendjährige Zukunft herbeibomben wollte. Peenemünde ist ein Ort, an dem die Geschichte aus Ruinen atmet, ein ort,d er sich für sich selbst schämt. Während mit Millionen aus EU-Kassen das alte Kraftwerk, das einst Strom und dampf dür die Raketenentwicklugn lieferte, renoviert wird, verfallen die Mietskasernen am Weg dorthin. "Gehören nicht der Gemeinde", hat der Bürgermeister plakatieren lassen.
Die Hoffnung stirbt zuletzt, auch damals bei Reichspropagandaminister Goebbels. Auf dessen Anweisung wurden Gerüchte über die "Wunderwaffen" gestreut, die das Kriegsglück wenden würden. Zu diesem Zeitpunkt überschritt die Rote Armee schon die Grenze der Sowjetunion, der ehemalige Verbündete Rumänien erklärte Hitlerdeutschland den Krieg, anglo-amerikanische Truppen erreichten in Italien Florenz und nahmen in Belgien Brüssel.
In Peenemünde auf Usedom schraubte die Ingenieurelite des Reiches an Raketen vom Typ V 1 und V 2. Hitler hatte, nachdem er der Fernwaffe lange skeptisch gegenüberstand, schließlich doch befohlen, die Produktion zu forcieren. Ein Strohhalm, wie Generalmajor Dornberger, einer der engsten Mitarbeiter von Raketenvater Wernher von Braun, wusste. "Die militärische Lage war um die Mitte des Jahres 1943 längst nicht mehr so, daß man durch Verschießen von monatlich 800 mit je einer Tonne Sprengstoff geladenen V 2 auf eine Entfernung von 250 km einen Weltkrieg des damals erreichten Ausmaßes hätte beenden können."
Dennoch bekam SS-Sturmbannführer Braun für sein Raketenfertigungsprogramm die oberste Dringlichkeitsstufe der gesamten Wehrmacht. Ziel war es, täglich 1000 Abschüsse und später 5000 Abschüsse von V-2-Raketen gegen die britischen Inseln abwickeln zu können. Größenordnungen, die nie erreicht wurden. Auch, weil die Techniker auf Usedom in zahllose Richtungen forschten, um erst einmal die Grundlagen der Technik zu beherrschen. In einem Saal des Museums wird eine ganze Wand beherrscht von unterschiedlichsten Modellen und Konzepten für Flugkörper aller Art, ausgedacht und ausprobiert von Heer, Luftwaffe und Marine, immer konkurrierend. Neben dem Entwicklungswerk, auch "Werk Ost" genannt, in dem Wernher von Braun und seine Mitarbeiter Raketen konstruierten, gab es eine Erprobungsstelle der Luftwaffe (auch "Werk West") und ein Netz von Messstationen zur Beobachtung von Geräten im Flug, Bahnanlagen für den Güterverkehr sowie den Nordhafen. Zur Produktion der für die Raketen benötigten Mengen an flüssigem Sauerstoff wurde ein Sauerstoffwerk errichtet. Nach Fertigstellung aller Bauten waren in Peenemünde bis zu 15.000 Menschen beschäftigt. Untergebracht waren sie und die nach Kriegsbeginn vom Heer abkommandierten Techniker und Ingenieure in einem Barackenlager.
Die von Albert Speer betriebene Planung sah eine Stadt für 16 000 Einwohner vor, die für das künftige Personal der Rüstungsfabriken gedacht war. Das gesamte nördliche Drittel der Insel Usedom wurde zur Sperrzone erklärt. Doch als dann klar war, in welche Richtung die Arbeit gehen würde, bombardierte die britische Luftwaffe nach Hinweisen polnischer Partisanen das gesamte Gelände. Die Arbeit konnte zwar weitergehen, doch die Produktion kam nie auch nur in die Nähe der Planziele. Zum Kriegsende stellten sich die Köpfe des Raketenprogramms mit vorsorglich beiseite geschafften Konstruktionsunterlagen in den Dienst der Sieger. Braun, Debus, Dornberger und Rudolph entwickelten künftig Weltraumraketen für die Amerikaner. Die Sowjetunion ihrerseits nahm, was übrig war, taufte die bis dahin »Mittelwerk« genannte Produktionstätte der SS bei Nordhausen in »Zentralwerk« um und setzte mit zwangsrekrutierten deutschen Fachleuten die »V2«-Produktion fort. 1946 wurden die Anlagen demontiert und mit der Bedienungsmannschaft in die Sowjetunion verlagert, Peenemünde blieb auch in der DDR Sperrgebiet der Marine, zu besichtigen sind jetzt vor allem Ruinen, fürsorgliche Hinweistafeln und eine einzige zurückgelassene Rakete.
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