© Twentieth Century Fox of Germany GmbH / Benjamin Walker als Axt schwingender Präsident der Vereinigten Staaten in Timur Bekmambetovs “Abraham Lincoln: Vampirjäger”
Erst hat es Schauspieler und Regisseur Robert Redford getan, im nächsten Jahr wird es Filmemacher Steven Spielberg machen und auch der Russe Timur Bekmambetov tut es, nur mit einer etwas phantastischeren Herangehensweise wie seine beiden amerikanischen Kollegen. Diese haben in „Die Lincoln Verschwörung“ (Redford) und „Lincoln“ (Spielberg) den sechszehnten Präsidenten der Vereinigten Staaten Filmauftritte unterschiedlichster Art beschert. Bei Redford leitet die Ermordung Abraham Lincolns durch John Wilkes Booth die Handlung ein, Spielberg wird sich mit den letzten Monaten des Präsidenten beschäftigen, in denen er in den eigenen Reihen um die Gleichstellung der farbigen Sklaven und um das Ende des Bürgerkriegs zwischen den Nord- und Südstaaten kämpft. Bekmambetov nimmt sich dieser Thematik zwar auch an, lässt seinen Abraham Lincoln aber auf eine etwas andere Art und Weise auf den Tod treffen: Er wird in der Literaturverfilmung nach Seth Grahame-Smith zum Vampirjäger in der Nacht, Präsident am Tag.
Während das Tagesgeschäft sich als fast normal gestaltet, auch wenn die Arbeiten eines Präsidenten viel Nervenkraft fordern, so ist doch das Leben des sechszehnten US-Präsidenten bei Nacht noch weitaus aufregender. Ausgebildet von Henry Sturges (Dominic Cooper), schwingt Abraham Lincoln (Benjamin Walker) seine Axt im nächtlichen Kampf gegen die Vampire, die versuchen ihren eigenen Staat zu gründen und hierfür den Krieg der Nord- gegen die Südstaaten nutzen. Dabei ist Lincoln immer auf der Jagd nach Adam (Rufus Sewell), dem einen Vampir, der einst seine Mutter tötete. Auf seiner Suche nach dem Mörder bekommt er nicht nur hilfreiche Unterstützung von seinen Freunden Joshua (Jimmi Simpson) und Will (Anthony Mackie), sondern lernt auch seine spätere Ehefrau Mary Todd (Mary Elizabeth Winstead) kennen.
Abraham Lincoln (Benjamin Walker) und sein Freund Will (Anthony Mackie)
Nun sind es ausgerechnet diese Freunde und seine Familie, insbesondere Ehefrau Mary Todd Lincoln, die als verletzliche Mitstreiter nicht nur für den Präsidenten-Vampirjäger dessen größte Schwäche darstellen, sondern auch für die Inszenierung selbst, wenn der Film einen Zeitsprung nutzt um aus Benjamin Walker den späteren Lincoln zu machen, wie die Welt ihn kennt, der markante Bart, das hervorstehende Kinn, der Zylinder wohl platziert auf seinem Kopf. Hier muss die Maske nicht kritisiert werden, die Imagination des Zuschauers wird diese Person schon eindeutig zuzuweisen wissen. Nur Mary Elizabeth Winstead, Jimmi Simpson und auch Anthony Mackies Figuren leiden unter der Verlagerung des Handlungsstranges an das Ende des Bürgerkrieges zwischen Nord- und Südstaaten, mit nur wenigen grauen Haaren, eventuell noch einer Zigarre im Mund, sollen die End-Zwanziger und Mitt-Dreißiger die alteingesessenen Wegbegleiter Lincolns verkörpern, scheitern aber bereits an ihrem visuellen Auftritt. Aber da sind sie nicht die einzigen, so manch eine im Computer entstandene Kreatur weißt hohe Identifikationsindizien als Kunstobjekt auf, wobei – so grausam es klingen mag – die Vampire noch gut dabei weg kommen, während eine Herde von Pferden wohl noch niemals zuvor so computergeneriert ausgesehen hat.
Erneut setzt man als Hingucker eher auf durch und durch choreographierte Kampfsequenzen, die natürlich auch gar nicht mal so schlecht daher kommen. Benjamin Walker folgt den Anweisungen seines Kampf-Coaches, setzt Schritt für Schritt auf vermutlich auswendig gelernte Bewegungen, die in diesem Fall zwar ebenso künstlich wirken wie die Herde von Pferden, über deren Rücken sich der junge Lincoln eine Verfolgungsjagt mit einem Vampir liefert, aber die dennoch ebenso hübsch anzusehen sind wie Mary Elizabeth Winstead, die sich nach ihrem Durchbruch in „Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt“ in noch keiner weiteren so überzeugenden Rolle präsentieren durfte, wie in Edgar Wrights Comicverfilmung und Videospiel-Hommage. Was bei solchen sauber geführten Kampfsequenzen nur leider oftmals vergessen wird, auch ein Manko von Paul W. S. Andersons „Resident Evil“-Geschichten, sind die hier eher dreckig und unsauber, hinterhältig agierenden Vampire, der rabiate, brutale Kampfstil mit der Axt, den Abraham Lincoln vollführt, die gar nicht so zu dem sauberen Choreographien passen wollen und zu dem Realitätsverlust dieser innerfilmischen Welt beitragen, die auf einmal gar nicht mehr so dreckig daher kommt.
Rufus Sewell als Obervampir Adam und seine Begleitdame Erin Wasson als Vadoma
So auffällig der minderwertige Einsatz der Effekte ist, so unnötig ist die Dreidimensionalität. Hätte man zumindest, so einfach und billig diese Vorgehensweise des Erlebniskinos auch gewesen wäre, ein paar auf die Zuschauer zufliegende Äxte gesehen, aber diese bleiben uns verwehrt. Stattdessen fliegen kleine Staubpartikel auf der Leinwand umher, die Atmosphäre soll die Zuschauer umkreisen, mitten in die Handlung hinein ziehen. Dann nehmen wir aber doch lieber wieder in „Resident Evil“ platz, dort fliegen uns wenigstens ein paar übernatürlich große Hammer um die Ohren. Aber der Vergleich mag hinken, denn so sehr Paul W. S. Anderson auch den 3D-Effekt zu nutzen weiß, so wenig haben seine Filme doch eine Story, die bei Timur Bekmambetov zumindest zu erkennen ist. Leider wird die Geschichte nur durch zwei Nebenfiguren wirklich getragen: Dominic Cooper („My Week With Marylin“, „Captain America: The First Avenger“) als Vampirjäger-Lehrmeister Henry Sturges und Rufus Sewell („Die Säulen der Erde“, „Dark City“) als Obervampir Adam – man hätte den beiden Männer mehrere Treffen auf der Leinwand gegönnt, ihr Spiel überzeugt, ihre jeweiligen Geschichten sind weitaus interessanter anzusehen, ein Wortduell der beiden Figuren wäre vermutlich ebenso interessant gewesen wie eine handfeste Auseinandersetzung, die aber laut der Logik von Seth Grahame-Smiths erschaffenem Universum nicht möglich ist. Dagegen sieht Benjamin Walkers Versuch die Hauptrolle zu übernehmen wie ein verzweifelter Akt aus, unter der Maske des Abraham Lincolns erzeugt er keinerlei Emotionen, wirkt starr, selbst in den Momenten, in denen er sich vom Vampirjäger zum Reden schwingenden Präsidenten macht, die Menschenmassen vor sich versammelt und diese ihm gebannt lauschen. Man möchte vermuten, dass hier noch eine zweite Monstergattung den Weg in den Film gefunden hat, denn nur Zombies würden diese floskelhaften, vor Patriotismus triefenden pathetischen Reden dermaßen in sich aufsaugen, ohne einen wirklich überzeugenden Redner vor sich stehen zu haben, der hier eine eher dünne Präsidentenrolle abgibt.
Da ist es vielleicht von Vorteil, dass „Abraham Lincoln: Vampirjäger“ zwar einen Blick auf beide Seiten des Präsidenten wirft, sowohl seine Rolle am Tage wie auch bei Nacht erzählt, aber die „unerzählte Geschichte“ dabei in den Fokus nimmt. Die politischen Verwicklungen nehmen nur einen geringen Teil des Films ein, damit hier 3D-Bombast-Blockbuster-Kino betrieben werden kann. Mehr steckt bei Regisseur Bekmambetov dann auch nicht dahinter, man hätte Abraham Lincoln hier vermutlich auch einfach durch Buffy Summers ersetzen und sie statt zur Präsidentin zur Schülersprecherin wählen lassen können. Der Film bietet keine Besonderheiten, ist das leider genretypische „Hirn aus“-Kino, welches sich auf seine cool aussehenden Kampfeinlagen verlässt. Der einfallsreiche Witz der Romanvorlage wird zu Gunsten der Glorifizierung des Abraham Lincolns fallen gelassen. Vielleicht profitiert hiervon aber dann Steven Spielberg, der mit „Lincoln“ nun eigentlich nicht mehr allzu viel falsch machen kann.
Denis Sasse
“Abraham Lincoln: Vampirjäger“
Originaltitel: Abraham Lincoln: Vampire Hunter
Altersfreigabe: ab 16 Jahren
Produktionsland, Jahr: USA, 2012
Länge: ca. 105 Minuten
Regie: Timur Bekmambetov
Darsteller: Benjamin Walker, Dominic Cooper, Anthony Mackie, Mary Elizabeth Winstead, Rufus Sewell, Jimmi Simpson
Deutschlandstart: 3. Oktober 2012
Offizielle Homepage: abrahamlincoln-vampirjaeger.de