Dort steht er plötzlich in der Tür. Ich sehe ihn das erste Mal. Ich finde Dich nicht das er sehr freundlich bist. Bereits bevor wir uns begegnen sind wir uns begegnet. Damals, bei diesem Event. Drei Monate später wohnen wir im gleichen Haus. Er im ersten, ich im zweiten Stock. Sein WG-Zimmer ist mein Wohnbereich. Die Wände sind dünn.
Capricorn Love
Seine Augen durchdringen mich. Sie sehen nur sich. Und durchschauen jeden sofort. Voller Verachtung, angstgetrieben, zum Zerbersten ehrgeizig. Er fasziniert mich. Er ist so anders, er ist so besonders, er ist so dunkel. Ich weiß sofort, er wird es weit bringen. Schnell kann ich nicht mehr ohne ihn. Bin ich für ihn nur ein Zeitvertreib? Er steht auf Jungs, ist nicht sexuell motiviert oder verliebt. Ich ertrage kaum, dass es ihn gibt. Er will mich beherrschen, er demütigt mich. Er sagt ich sei nicht gut in dem was ich tue, er macht sich über mich lustig. Er bringt mich zum Heulen um sich im nächsten Moment in Selbstmitleid zu hüllen. Immer bevor ich ihn endgültig gehen will holt er mich wieder zu sich. Er will mich nicht fotografieren, lehnt jede Zusammenarbeit ab. Dennoch teilt er jede Laune, jedes Lied, jedes Projekt, jeden Schmerz mit mir. Wir machen lange Spaziergänge durch die Nacht. Er hasst seinen Körper. Wir betrinken uns bis zur Bewusstlosigkeit. Wir trinken immer, wenn wir uns sehen. Einmal sage ich ihm vor einem Treffen, dass ich heute nichts konsumieren werde. Und er will mich plötzlich nicht sehen. Es ist, als ob wir uns gegenseitig nüchtern nicht aushalten. Als ob wir unsere unsichtbaren Masken spätestens jetzt beide fallen lassen müssten. Als ob wir bereits jetzt Angst vor dem haben, was kommen wird. Nach ein paar Monaten kann ich nicht mehr ohne Alkohol leben. Eines Abends sitzt er vor mir auf dem Boden und weint. Er sagt es sei eine Bürde so zu sein, wie er ist. Er ist der Sachliche, ich die Emotionale. Er redet ununterbrochen, ich höre zu. Ich trinke jetzt auch unter der Woche. Die Flaschen stapeln sich in der Küche. Wir streiten uns jede Woche. Immer bricht einer den Kontakt ab, der andere nimmt ihn wieder auf. Meistens gehe ich und er kommt hinter her. Ich schaffe es nicht, ihm zu widerstehen. Ihn zu aus meinem Leben streichen. Spätestens im Treppenhaus werde ich ihn doch wiedersehen.
He hit me – and it felt like a kiss
Dann kommt der Abend, der alles verändert. Der zeigt, wie tief die Wunden sind, die wir uns bereits zugefügt haben. Wir sitzen betrunken im Taxi nebeneinander. Wir diskutieren, die Stimmung ist aufgeheizt. Ich will ihn demütigen. Ich fasse ihn spontan in seinen Schritt. Er zuckt zusammen, bittet den Fahrer zu halten. Er springt aus dem Fahrzeug, will mich anzeigen. Mir ist gerade null bewusst, wie sehr ihn verletzt habe. Nichts passiert. Wir sehen uns weiterhin wie gewohnt. Eines Tages sitzt er in meinem Wohnzimmer und wir unterhalten uns hitzig. Plötzlich springt er auf und schlägt mich. Er schreit dabei und hört nicht auf mir zu weh zu tun. Nach sechs oder sieben Ohrfeigen ist er fertig. Die Zeit bleibt stehen. Er setzt sich hin. Ist still. Das erste Mal sehe ich so etwas wie Reue in seinem schönen Gesicht. Ich weine. Ich ohrfeige ihn zurück nachdem er es mir anbietet. Ich schmeiße ihn aus der Wohnung und spreche einen Monat nicht mit ihm. Mein Herz ist gebrochen. Es dauert lange bis ich verstehe, warum er es getan hat. Ein paar Wochen später zieht er aus und verlässt das Land. Es ist nichts mehr wie es war.
And the circus fades, you were always carouseling
Doch wir sehen uns wieder, vier Monate später fliege ich nach Wien. Ich fühle mich wohl ihn wieder neben mir sitzen zu haben. Er hat sich verändert, ist viel weicher, netter, zugänglicher. Zufrieden fliege ich nach Hause. Das Jahresende naht und es erreichen mich schwärmende Nachrichten voller Lob und Sehnsucht. Ein paar Tage später ist er zu Besuch schläft er ein paar Nächte bei mir. Er bereut seine Tat nicht. Ich bin empört und doch verstehe ich ihn. Das neue Jahr beginnt. Ich feiere seinen Geburtstag mit ihm. In gewohnter Manier zerstreiten wir uns ein paar Wochen später wegen einer Kleinigkeit. Er schmeißt mich endgültig aus seinem Leben. Diesmal bin ich es, die ihn anfleht uns noch eine Chance zu geben. Ich bin wieder in Wien, er will mich nicht sehen. Ich weine, ich bettele, er bleibt hart. Alles ist verloren, es gibt kein Zurück. Ich schließe ab. Ich akzeptiere es. Ich erkenne, wie viel er mir gegeben hat und wie viel ich doch zu viel von ihm ertragen habe. Wie sehr er mir helfen wollte und es nicht konnte. Wie sehr ich ihm helfen wollte und es nicht konnte. Wie sehr ihn liebe. Wie großartig und scheußlich er zugleich ist. Vielleicht ist es genau dieser Widerspruch, der mich bis heute so sehr an ihm fasziniert. Er schert sich nicht um Normen, und doch verbirgt sich hinter seiner Kälte mehr Toleranz und Liebe, als ich es ahnte. Er sieht den Zeitgeist bevor dieser an Deinen Wänden hängt. Doch jetzt ist es aus. Ich fliege nach Hause.
Es ist Sonntag. Die Sonne scheint. Ein paar Sachen muss ich noch schaffen. Ich klappe den Laptop auf, auf zum E-Mail Eingang.
Die erste ist von ihm.