Abnehmen mit Sarrazin

„War ick doch letzen Dienstag bei die Vabrauchazentrale beim Abnehmkurs“, sagt Herbert zu Trudchen und Irmgard. „Abnehmen? Beim Verstand oder wat“, antwortet Trudchen während sie sich weiter mit ihrer Schwimmbadgymnastik (Unterwasser-Beine-Treten) beschäftigt. „Na dit och. Aba ma im Ernst. Da jehsde zu so nem Abnehmkursus und wat siehste als erstet? Ne Dicke Kursusleiterin. Mann, die hat wenichstens hundat Kilo uff de Waaje jebracht. Da musst ick mir janz scheen zusammenreißen.“

Dienstagfrüh um 7 Uhr im Stadtbad Tiergarten. Wie immer um diese Zeit haben sich die örtlichen Rentner, Senioren sowie jede Menge junger Menschen zum morgendlichen Frühschwimmen versammelt. Für 2.50 Euro ist es um diese Zeit „einsfuffzich“ billiger als nach acht Uhr. Dementsprechend voll ist es im Bad. Auf den hinteren Bahnen machen sich die Sportschwimmer Konkurrenz. Einer schlägt den anderen und die Frauen sind noch schneller. Schlechte Zeiten für Otto-Normal-Schwimmer. Die ersten drei Bahnen voller Möchtegern-Profis, die anderen Bahnen versperrt von Seniorengruppen, die sich langsam aber sicher von einem zum anderen Ende bewegen, meistens schräg, immer aber sich dabei unterhaltend. Da gehören die drei vom Moabiter Kaffeekränzchen noch zu den harmlosen Blockierern.

Sie stehen meist in „ihrer“ Ecke und klatschen und tratschen. Wie auch heute wieder. Herbert, für seine offene Berliner Schnauze sowie für seine superengen Tanga-Leoparden-Badehosen im ganzen Schwimmbad (und in Moabit) bekannt, erzählt weiter vom Abnehmkurs in der Verbraucherzentrale. „War janz scheen schwer, der Dicken nich ins Jesicht zu sagen, dat sie janz scheen schwer für n Abnehmkurs ist. Aba ick hab janz ruhich imma bis drei jezählt und dann jings.“  „Und, wie viel mal haste bis dreie jezählt?“, fragt Irmgard, die sich ihrerseits nun der Gymnastik von Trudchen angeschlossen hat, immer darauf achtend, dass ihr die Lesebrille nicht von der Nase rutscht und ihre Haare nicht nass werden. „Na imma, wenn die Dicke anfing, von Sport zu erzählen, und Diät und so. Die weeß vielleicht, wie Sport jeschriem wird. Aba wie´s funktioniert, weeß die jarantiert nich. Ick sach nur eins, zwei drei. Imma wieda eins, zwei drei.“

„Na Herbert, warum jehsde och zu nem Abnehmkurs? Haste doch jar nich nötich. Oda willste uns etwa untreu werden?“ Irmgard prüft den Sitz ihrer Frisur sowie ihres mit goldenen Ranken verzierten Badeanzuges. Ihre Blümchen-Badekappe hat sie heute wohl nicht dabei. Sicher steht Schwimmen heute nicht auf der Frühtagesordnung. Gymnastik geht auch ohne Kappe. „Nee, nee. Ick wollte eijentlich in die Vabrauchazentrale wejen die Rentensteuer. Aba da ham so viele jewartet. Und beim Abnehmkurs im Nachbarzimma warn noch freie Plätze. Da dacht ick mir, bevor Du jetze zwee Stunden im Wartezimma vabringst, kannste och im Abnehmkursus warten.“

„Typisch Herbert“, stellt Trudchen fest. „Imma uff alle Hochzeiten tanzen. Aba ick wunda mir, dass Du der Dicken nich die Meinung jesacht hast. Ditte is nich typisch für uns Herbert.“ „Naja, ick hab mir och jewundat hintaher. Aba in dem Fall wars vielleicht bessa so. Anders is dit bei die Meinung an sich“, sagt Herbert. „Wie jetze, bei die Meinung an sich?“ „Na letztens beim Stammtisch in der Jelben Quelle.  Da jings wieda mal um die Auslända und so. Alle ham jesacht, dat der Sarrazin Recht hat, mit seine Meinung. Und denn is n Reporta von die Zeitung gekommen und wollte dit uffschreiben. Da warnse uff eenmal alle jejen Sarrazin. Dit is doch zum kotzen, oda?“

Herbert klatscht dabei mit seinen Händen aufs Wasser, um seine Meinung zu unterstreichen. Was zu nicht wenigen nassen Spritzern auf den frisch gestylten Köpfen seiner Freundinnen sorgt. „Na nun übatreib ma nich, Herbert. Musst uns nich hier nass machen, nur weil se nich alle so ne große Schnauze ham wie Du.“ Damit ist das Thema beendet.  Herbert macht sich für eine Runde Schwimmen bereit, die Damen zieht es in Richtung Ausgang, um ihre benetzten Haare zu trocknen. Als beide aus dem Becken steigen, sagt Irmgard zu Trudchen: „Also Abnehm muss Herbert nun wirklich nich. Aba der Sarrazin, der könnte mal n bissel abspecken.“ „Aba den kennste doch jar nich“, antwortet Irmgard auf dem Weg in zu den Damenduschen. „Und außadem ist der schlank. Der muss nun wirklich nich abnehmen.“ „Na ick meinte ja nich körpalich“, sagt Trudchen. „Eher so beim Verstand. Wat der so allet von sich jibt. Da könnter wirklich mal wat von weglassen.“


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