Es gab eine Zeit, da war diese Arbeit mein täglich Brot: Unverständliche Texte verständlich machen, stets gleiches Geschehen so präsentieren, dass doch noch eine neue Facette zum Vorschein kommt, die den Leser vielleicht interessieren könnte, mit möglichst wenigen, klaren Sätzen möglichst viel Inhalt weitergeben. Die völlig unspektakuläre Arbeit des Lokaljournalisten, wenn er mal wieder keine packende Geschichte hat aufspüren können. Alltagstrott also.
Es ist lange her, seitdem ich auf einer Redaktion gearbeitet habe, aber was man mal gelernt hat, das wird man immer können. Glaube ich zumindest. Und so zögere ich keinen Moment, wenn man mich fragt, ob ich einen kurzen Zeitungsbericht über dies und jenes verfassen könne. Ist doch ein Klacks, denke ich mir dann jeweils. Wer täglich bloggt – auch dann, wenn Luise mit Blinddarmentzündung im Spital liegt oder fünf kleine Vendittis mich mal wieder an den Rand des Nervenzusammenbruchs treiben – und sich hin und wieder Zeit freischaufelt, um an umfangreicheren Texten zu arbeiten, der wird doch wohl auch ein paar Sätze über ein Weihnachtskonzert oder über einen Anlass in der Kirchengemeinde aus dem Ärmel schütteln können.
Aber genau das will mir einfach nicht mehr gelingen. Gebt mir den Auftrag, euch zwei Seiten mit meinen Gedanken zur Waffeninitiative, über die wir Mitte Februar abstimmen dürfen, zu schreiben und ich liefere euch drei. Bittet mich darum, euch ein paar absurde Müsterchen aus dem Alltag einer durchgeknallten Mama zu schildern und ich werde gar nicht mehr aufhören können mit erzählen. Fragt mich, ob ich einen Einspalter über die Einweihung eines neuen Parkplatzes schreiben kann. Ich werde ja sagen, weil ich ja noch immer dem Irrglauben anhänge, ich könnte das. Aber dann, wenn ich ja gesagt und eure Einweihung besucht habe, werde ich stundenlang mit leerem Blick vor dem Bildschirm sitzen, hin und wieder ein Sätzchen herauswürgen, das ich unzählige Male drehe und wende, ehe ich es wieder lösche und irgendwann werde ich völlig entnervt irgend einen Mist zu Papier bringen, den ich, am liebsten unter Angabe eines falschen Namens, verschämt der Redaktion zukommen lasse, die das Zeug dann gnädigerweise publiziert.
Ich hätte es nie für möglich gehalten, aber je mehr ich schreibe, umso mehr kommt mir abhanden, was jeder Journalist im Schlaf können muss, nämlich Bericht erstatten. Ich vermute, meine Zeiten auf der Redaktion werden nie wieder kommen. Offen gestanden bin ich gar nicht so unglücklich darüber. Denn wenn ich daran denke, wie ich wieder mit leerem Blick auf den Bildschirm starren werde, wenn dieser Text zu Ende ist und ich denjenigen herauswürgen werde, den ich zu schreiben versprochen habe, dann wird mir klar, dass ich keine Journalistin mehr, sondern einfach eine Schrei(b)ende bin.