Abfalltrennung der Unwichtigkeiten

In loser Folge veröffentlicht zoetrope Auszüge aus Lale Nikki Eggers Text “Der Mensch als Motor”.

Geputzt wird hier nicht. Nie im Leben wird hier geputzt. Ich traue mich kaum, den Boden anzuschauen, weil mich der Geruch schon davor abschreckt. Die Perfektion einer Person spiegelt sich offensichtlich nur im äußeren Anblick wieder und sinkt auf den tiefsten Nullpunkt, wenn man ihren Wohnraum betritt. Jetzt frage ich mich plötzlich ob ich ein chronischer Spion bin. Ich mieser Spanner auf hinterlistiger Suche nach möglichst vielen Fehlern in einer mir vorher makellos erschienenen Figur. Natürlich ist kein Mensch vollkommen und absolut jeder besitzt seine eigenartigen Macken, Laster oder Schwachpunkte.

Meine Gedanken basteln sich fortan einen vollkommen neuen Frederick zusammen. Und das in solch rasanter Geschwindigkeit, dass ich selbst kaum noch mitkomme. Wie ich des Öfteren feststelle, sind meine Gedankengänge schneller als mein Verstand. Ein ewiger Wettlauf mit der Wahrheit. Eine kleine Spur von Erkenntnis findet ihren Weg in mein Hirn und schon fängt dieses an wie ein Motor zu arbeiten. Nichtsdestotrotz sterbe ich Tag für Tag immer ein Stückchen schöner. Wenn ich im Sommer auf der Parkwiese liege, so wie dieses Jahr, trifft für mich ein fünfminütiger Tod ein.

Natürlich benutze ich dafür keine Picknickdecke oder Ähnliches. Ich fühle nur das leicht feuchte Gras unter meiner Kleidung, die rasch ein wenig durchnässt wird. Wenn ich dann so da liege und meine Augen schließe, stelle ich mir vor, dass eine fiktive bläulich schimmernde Flüssigkeit in meinem Körper existiert, die in diesen Minuten der Ruhe vollständig aus mir herausfließt und im Gras versickert. Es ist die Flüssigkeit der Reue, der Aggression, des Leides und der Verzweiflung. Leider würde eine solch intensive Entwässerung jetzt nicht umsetzbar sein, da die Zeit des kalten Winters eingetroffen ist und der Schneefall in den Wolken vorhersehbar ist.Abfalltrennung der Unwichtigkeiten

Bin ich nun ein Spion oder nicht? Vielleicht spioniert Frederick mich auch, nur eben viel unauffälliger und erfahrener. Aber gibt es nicht eine Problematik, die über dieser ganzen Spionageaktion steht? In letzter Zeit finde ich des Öfteren unzurechnungsfähige Schuldgefühle in meiner Gedankenbibliothek namens Gehirn. Sie führen dazu, dass ich mir ständig eine psychoanalytische Frage nach der anderen Stelle. Und ehe ich mir selbst antworten kann, frage ich mich schon wieder nach einer nächsten Problematik.

Es ist jetzt 19.51 Uhr und ich leide heute an einem unlustigen Harnwegsinfekt, den ich, laut meiner Hausärztin des Vertrauens, mit Antibiotika behandeln muss. Doch nicht nur diese Ungesundheitlichkeit überkommt mich ganz unerwartet. Nein, eine gemeine Erkältung zeigt auch schon die ersten Anzeichen ihrer Existenz in meinen Nebenhöhlen. Fröhlich schmeiße ich also hochgerechnet acht Pillchen am Tag in mich hinein, kippe aber, wie befohlen, kanisterweise Leitungswasser nach. Den fiesesten Geschmack hat das Antibiotikum. Es hat eine extrem bittere Note und fühlt sich auf der Zunge pelzig an. Die dazugehörige Gebrauchsanweisung ist schon furchteinflößend gewesen.

“Aufgrund des ungenießbaren Geschmacks bitte nicht kauen” 

Um möglichst wenig von diesem schrecklichen Aroma zu kosten, drücke ich mir fast gleichzeitig wie wild Tablette und Wasser in den Mund hinein. Das Schlucken ist dabei die größte Herausforderung und kostet mich gefühlte 10 Sekunden der Überwindung. Zu meinem Pech bleibt mir in diesem Moment die Pille im Gaumen hängen und drückt sich nach mehrmaligem Schlucken langsam die Röhre runter. Ich muss extrem ausgelassen husten und verziehe alle möglichen Muskeln meines Gesichtes, von denen ich noch nicht einmal wusste, dass sie existieren. Fortwährend hängt mir der Geschmack auf der Zunge. Letztendlich dauerte es etwa zwei Stunden des Ekels, bis er verschwunden war.

Lale Nikki Eggers

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