Narde (Nardostachys jatamansi) wächst im Himalaya auf einer Höhe von 4000 MüM. Die Hälfte des Jahres ist diese Pflanze von einer Schneeschicht bedeckt. Der pelzige Wuchs um ihre Wurzeln hilft ihr den Frost zu überstehen und während des Bergfrühlings zu neuem Leben zu erwachen. Narde ist als Heilpflanze sehr begehrt und darum auch besonders selten geworden. Sie zählt zu den gefährdeten Pflanzenarten. Mit verschiedenen Expeditionstrecks in den Great Himalayan National Park versuchte Ben Heron über mehrere Jahre hinweg diese Pflanze zu finden. Lange ohne Erfolg.
Er befragte lokale Kräutersammler, Vogelkundler und Berghirten. Im September 2004 bekam er den entscheidenden Tipp und machte sich mit einem Team auf den Weg in einen steilen, zerklüfteten Berghang. Endlich wurden sie fündig. In einer Spalte eines Felsvorsprungs entdeckten sie die seltene Narde. Sie hatte wohl Samen, den man ihr hätte entnehmen können. Aber Ben Heron brachte es nicht übers Herz, dieser so lange gesuchten und hier einzig dastehenden Pflanze ihre Chance auf Fortpflanzung zu mindern. Also liess er sie in Ruhe, fotografierte und sass eine ganze Weile einfach still vor dieser Narde: Dankbar für das Glück, diese geheimnisvolle, versteckte Pflanze endlich in freier Wildbahn gefunden zu haben.
Ben Heron beschreibt die Suche und das Finden der Narde als eine spirituelle Erfahrung. Die Ruhe, Klarheit und Schönheit der Bergwelt im Himalaya liess ihn auch innerlich Distanz zum Alltag nehmen. Es kam ihm vor, als ob die äussere Welt sich in seine innere spiegeln würde. Ein tiefes Gefühl von Ehrfurcht machte sich in ihm breit. Er glaubt, dass die Narde die extremen Umweltbedingungen in sich aufsaugt und darum als Heilmittel beruhigend und klärend wirkt. Nach Ben Heron verkörpert die Narde den Weitblick und die stille Kraft, die im Hochgebirge erfahren wird.
Zurück zu den Bibeltexten, an denen die Narde erwähnt wird. An beiden Stellen wird mit Narde ausgedrückt: „Du bist mir besonders wertvoll!“ Die Liebenden im Hohelied und Maria bei der Salbung von Jesus drücken mit dem Gebrauch von Narde aus, dass sie bereit sind etwas ganz Wertvolles und Seltenes für den anderen hinzugeben. Diese Bedeutung der Narde wird aus dem Textzusammenhang deutlich und ich finde es spannend, wie sich das auch mit der Erfahrung von Ben Heron deckt. Gut möglich, dass die antiken Autoren ebenfalls darum wussten, dass die Narde in extremer Höhe wächst und lange Zeit unter dem Schnee begraben liegt, bevor sie zum neuen Leben erwacht. Wenn das so wäre, dann hatten sie vielleicht neben der Botschaft von „Du bist mir wertvoll!“ auch noch die Botschaft vom neuen Leben im Blick. In der Liebe die lebensspendende Kraft der Sexualität und bei Jesus die Auferstehung zum neuen Leben.
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Bild: wikimedia.commons, gemeinfrei
Originaltext von Ben Heron zu seiner Suche: http://biolaya.com/in-search-of-jatamansi/