Seit dem mich das Analog-Fieber gepackt hat, bin ich auf der Suche nach Ausdrucksformen die diese Form der Fotografie deutlich von der Digitalfotografie abgrenzt. Filme, Entwicklungsprozesse, Herangehensweisen… Dabei schien mit der Digitalfotografie und der Fülle der damit einhergehenden Möglichkeiten sowie der abenteuerlichen Geschwindigkeit, mit der sie uns überrannte, ein Messias gefunden. Doch der Drops scheint noch nicht gelutscht! Wenn ich mich so umschaue, erlebe ich genau die Renaissance des Analogen, die ich vor fast genau einem Jahr im Gespräch mit den Spürsinnern prophezeite. Vielleicht täuscht mich meine Wahrnehmung, doch sehe ich in letzter Zeit immer mehr Kollegen (mich ausdrücklich NICHT ausgenommen), die ihre fotografischen Ergebnisse auf “analog” trimmen. Ich bekommen relativ oft Anfragen zu den von mir verwendeten “Retro-Look-Lightroom-Einstellungen” . Doch eine Versendung von Lightroom-Einstellungen zäumt das Pferd von hinten auf, denn “DEN” “Analog-Look” gibt es nicht. Analoge Fotografie ist so unfassbar vielfältig, daß nur die Auseinandersetzung damit zum Ziel führt. Es reicht eben nicht, analoge Fotografien zu studieren und zu versuchen den “look” zu kopieren. Ohne zu wissen was dahinter steckt, rennst Du blind hinterher oder wie Mac Davies singen würde: “…That I was always just one step behind you”.
Seit einiger Zeit gärt es nun in mir und ich fühlte mich bereit, mich mit der Königsklasse der Fotografie auseinander zu setzen: Dem Großformat.
Großformat-Fotografie unterscheidet sich von allen anderen vor allen erst mal durch die Herangehensweise. Während Kleinbild und Mittelformat “spontane Aufnahmetechniken” sind, so bewegt man sich in der Großformatfotografie “geplant” und “konzeptionell“. Die künstlerischen Möglichkeiten im Großformat sind atemberaubend. Fotografen wie Vernon Trent oder Allan Barnes flashen mich mit ihren Fotografien im Großformat jedes mal auf´s Neue.
Während sich die Geschwindigkeit digitaler Fotografie für den Großteil der Fotografen “normal” anfühlt ist im Großformat nichts “drauf und los”. Was bleibt im “Digitalen” dabei alles auf der Strecke? Ist eine Auseinandersetzung mit dem was man da fotografiert überhaupt noch möglich? Zählt wirklich nur der Moment? Ich will das für mich herausfinden und beantworten. Mir geht es bei diesem Medium nicht um die unfassbar hohe Auflösung, die dieses Format generiert, sondern um die Auseinandersetzung mit dem Motiv. Und das Großformat zwingt mich eben dazu.
Der erste Schritt ist getan. Ich habe mir – meinem Geldbeutel entsprechend – erstmal eine kleine Laufbodenkamera angeschafft, eine Graflex Speed Graphic. Diese Kamera wurde als Presse-Kamera in unterschiedlichen Modellen von 1928 bis 1970 in den USA hergestellt und verkauft. Sie ist für eine Großformatkamera relativ klein und handlich und nimmt Filme im klassischen Format 4×5” (9x12cm) auf. “Ein Film” bedeutet im Großformat “eine Aufnahme im Format 9x12cm” und da wären wir bereits bei der Langsamkeit des Mediums. Jedes Foto will vorbereitet und ordentlich gemessen sein. Durch den Faltenbalg ergibt sich die Möglichkeit des Tilten und Shiftens – also der Korrektur bzw. des Setzens von Schärfeverlauf (Scheimpflug-Tilt) und Perspektivischen Verzerrungen (Shift). Eine Möglichkeit, die in der Kleinbild- oder Mittelformatfotografie nur durch spezielle und nicht gerade günstige Objektive zu meistern sind. Die Graflex Speed Graphic ist in der Bucht bereits für 300€ zu finden. Ich hab meine vom Meister Trent erstanden.
Zeit und Muße sollte ich in nächster Zeit hoffentlich finden. Und wenn Ihr demnächst einen zauseligen Tropf in der Stadt seht, der mit freigelegtem Maurer-Dekolltee vor der Mattscheibe einer Laufbodenkamera steht, schenkt ihm ein Lächeln und fragt ihn bitte nicht nach Lightroom-Presets.