Vorweg: Ich war einst eine Art Adobe-Fanboy. Photoshop, InDesign und Illustrator sind heute (leider) konkurrenzlos und waren es schon bevor Adobe den einzigen nennenswerten Mitbewerber – Macromedia – übernommen hat. Es war der Morgen als ich in den Nachrichten von der Übernahme erfuhr, als mein Fan-Herz einen ersten Riss bekam und ich dachte, »Au Backe! Was wird das wohl für die Weiterentwicklung der Produkte bedeuten?«.
Als ehemaliger Adobe-GoLive-Nutzer gehörte ich auch zu den ersten die die negativen Folgen dieser Übernahme zu spüren bekamen. Ich hatte mit GoLive zu arbeiten begonnen, lange bevor erste Zeichen von Dreamweaver wahrgenommen werden konnten und lange bevor Adobe das Unternehmen GoLive (aus Hamburg) und das Produkt Cyberstudio (das von Adobe dann in GoLive umgenannt wurde) übernommen hat. Cyberstudio war seiner Zeit voraus und die Programmierer bei Macromedia haben sich das Programm sicher in weiten Teilen zum Vorbild genommen, als sie Dreamweaver entwickelten.
Adobe ließ GoLive nach der Übernahme von Macromedia auch prompt fallen – und damit natürlich auch die treuen GoLive-Kunden. Das Programm hatte unter der Ägide Adobes seinen zuvor doch recht guten Ruf verloren und damit die meisten Marktanteile an Macormedia. Ich erinnere mich noch, dass Adobe kurz nach der Übernahme von Macromedia GoLive 9 vorstellte. Auf der Produktseite von GoLive 9 gaben allerdings Worte zu denken, die sinngemäß wiedergegeben aussagten, dass »GoLive ein tolles Programm sei, mit dem man Webdesign wie mit einem Layoutprogramm machen könne, aber wer ein vernünftiges Webdesign-Programm wolle, der solle sich doch einmal Dreamweaver ansehen«.
Wie nach der Übernahme von vornherein klar war hat es ein GoLive 10 nie gegeben. Adobe nahm nicht nur noch rasch das Geld von den Dummen denen diese Entwicklung nicht klar war, sondern ließ seine GoLive-Kunden komplett im Regen stehen – auf eine Möglichkeit GoLive-Projekte komfortabel in Dreamweaver-Projekte zu konvertieren wurde verzichtet.
Dreamweaver mag zu derzeit schon weitaus das bessere Produkt gewesen sein, als GoLive. Aber es waren die Strategen bei Adobe die verantwortlich waren, dass das Produkt gegenüber Dreamweaver verloren hat. Wer damals mit GoLive nicht konnte hatte mit Dreamweaver eine Alternative. Bei Photoshop & Co sieht das heute anders aus.
Wer professionell mit InDesign, Illustrator, Photoshop und Acrobat arbeitet findet kaum nennenswerte Alternativen. Klar gibt es andere Programme in den Kategorien Layout, Vektorgrafik und Bildbearbeitung. Aber irgendwie ist es, als hätte man sich an Mercedes S Klasse gewöhnt und für einen Wechsel stünden nur Skoda, Fiat und Seat zur Verfügung. Nichts gegen Skoda, Fiat und Seat – aber die bieten halt keine S Klasse an!
Was Adobe jetzt macht, als würde Mercedes ein Modell aufstellen, bei dem man die Autos nur mehr mieten kann, dafür aber jedes Jahr ein neues bekommt. Klingt doch verlockend, oder?
Ich finde, wenn es BMW, Audi und meinetwegen Lexus als Alternative gäbe, schon. Aber wenn man gar keine Wahl hat, als den Deal mit Mercedes einzugehen? Höchstens auf Fiat umzusteigen, oder den aktuellen Mercedes weiter zu fahren, bis er durchgerostet ist?
Software-Schmieden wie Microsoft und Adobe haben ein Problem: Ihre Produkte – Office und Creative Suite – sind ausgereift. In meinen Augen braucht kaum jemand eine neuere Version als Photoshop CS3. Natürlich ist da und dort ein bisschen was dazu gekommen. Aber für die wenigsten Anwender sind die Neuerungen in den folgenden Versionen bis CS6 so essenziell, als dass sich die etwa 800 Euro für die Upgrades rechtfertigen würden. Bei InDesign würde mir CS3 nicht genügen. Hier kamen in CS4 Innovationen dazu, auf die kein Anwender verzichten sollte. Aber wer nur für den Druck arbeitet und keine liquid Layouts erstellen muss, kann auf CS5, CS5.5 und CS6 gut verzichten. Illustrator wäre mir heute sogar in CS2 lieber als in CS6. Zwar sind nach CS2 durchaus nette Funktionen dazu gekommen. Allerdings sind das alles Werkzeuge für die ich eher keine Verwendung habe und in den für mich wichtigen Belangen hat sich die Genauigkeit des Programms eher zum negativen hin entwickelt.
Was aber tun, wenn man Produkte anbietet die praktisch keinen Verschleiß aufweisen, die sich aber auch kaum einmal mehr soweit verbessern lassen, dass die Kunden bereit wären mehrere Hundert Euro dafür zu bezahlen? Ein Mietmodell ist da die perfekte Lösung. Heise schrieb zur Creative Cloud, Adobe müsse nun nur mehr so viel Aufwand in die Entwicklung stecken, um die Kunden nicht komplett zu verärgern. Für einen Monopolisten ist das eigentlich kein Problem, denn selbst wenn jemand jetzt oder in den nächsten Jahren dermaßen verärgert werden sollte, dass er eine Alternative in Betracht zieht, wird der Umstieg sehr schmerzhaft. Speziell Grafiker und Agenturen haben praktisch keine andere Wahl als InDesign treu zu bleiben, denn sie müssen Daten mit Kunden und anderen austauschen.
Grundsätzlich stehe ich einem Mietmodell positiv gegenüber, weil ich die Situation der Software-Konzerne verstehe. Das Upgrade-Modell der vergangenen Jahrzehnte hat ausgedient. Für die Zukunft wird es zwei Modelle geben: Jenes von Apple und seinem App-Store, bei dem man eine Produktversion kauft, ohne dass man die Folgeversion als Upgrade zum halben Preis kaufen kann. Das ist eigentlich das Modell der Welt außerhalb der Software-Branche: Wer seinen Golf 6 durch einen Golf 7 ersetzen will bekommt ihn auch nicht zum halben Preis. Bei Apple sind dafür die Vollversionen deutlich günstiger, als es die Preise für Upgrades davor waren. Das andere Modell ist eben das Mietmodell, wie es Adobe derzeit gerade durchpresst, und wie es auch Microsoft gerne einführen würde.
Was mir an der Creative Cloud sauer aufstößt, ist die Preisgestaltung. Zwar lässt sich ein einzelnes Programm für etwa 20 Euro mieten, doch wer wie ich vier Programm für seine Arbeit benötigt, kommt um die ganze Cloud nicht herum. Klar: Für die 60 Euro Cloud-Gebühr kann ich mir auch jedes andere Programm herunterladen, das ich nicht brauche. Es stellt sich für mich aber die Frage, weshalb Adobe kein faieres Modell gewählt hat, bei dem man sich das Cloud-Abo nach den eigenen Anforderungen zusammenstellen kann. Zum Beispiel Photoshop alleine 20 Euro, Photoshop + InDesign 30 Euro … kommt Illustrator hinzu 35 Euro und so weiter. Sollte es für Adobe wirklich ein Problem sein, das Abo-Modell so einzurichten? Sicher nicht! Nur: Die Creative Cloud, wie sie jetzt gestrickt ist, bringt mehr Money.
Wer nicht glaubt, dass Adobe in der Preisgestaltung unverschämt ist, der vergleiche einmal Preise für die amerikanische Cloud – 40$ – mit jenen für die deutsche – 60€.
Ich bin ein bisschen sprachlos, ob der Nutzer, die das ganze auch noch toll finden. Sie scheinen sich nicht zu fragen, welchen Grund Adobe in Zukunft noch haben sollte, seine Produkte innovativ weiter zu entwickeln. Wer jetzt CS3, CS4, CS5 oder CS6 hat, kann damit wahrscheinlich noch viele Jahre arbeiten – außer den armen Grafikern, die schon bald gezwungen sein werden auf InDesign CC umzusteigen, weil sie Daten austauschen müssen. Wer in Zukunft aus der Creative Cloud aussteigen will, wird keine Programm mehr haben, mit denen er arbeiten kann.