Wenn die Sonne brennt, möchte niemand mehr im geschlossenen Raum, geschweige denn in seinen Klamotten stecken.
Und da sich der Frühling dem Ende zuzuneigen scheint - zumindest kalendarisch gesehen - kehren langsam auch die Erinnerungen an glückliche Tagen am Meer oder Ausflüge an den See in unsere Köpfe zurück. Doch Sonnenbaden im verblichenen und ausgeleierten Bikini vom Vorjahr? Eine denkbar unspaßige Angelegenheit, für die es glücklicherweise reichlich innovative textile Rettung gibt.
Aller Anfang ist schwer
Was für uns im 21. Jahrhundert die gängige Badebekleidung ist, wurde nach seiner Erfindung 1946 zu einem handfesten Skandal; der Bikini provozierte und wurde in vielen Teilen Europas sogar verboten. Seine Erfinder, die Franzosen Louis Réard und Jacques Heim, mussten, um ihre neue Kreation ablichten und sie so der Welt vorführen zu können, eine Stripperin engagieren, da kein Model das schlüpfrige Teil tragen wollte. Nicht hilfreich war es, dass diese Stoffstücke auch noch nach dem Schauplatz eines Kernwaffentests im Pazifischen Ozean, dem Bikini-Atoll, benannt wurden.
Nichtsdestotrotz wurde der Bikini besonders von Französinnen und aufstrebenden Filmsternchen geliebt, die damit ihre makellosen Körper zur Schau stellten. Immerhin war das Bräunen seit den 1920er Jahren, genauer gesagt nachdem sich Modelegende Coco Chanel tief gebräunt in der Öffentlichkeit gezeigt hatte, nicht mehr als Arbeiterklassen-Look verpönt, sondern symbolisierte den Luxus, sich (Winter) Ferien in der Sonne leisten zu können.
Im Trend baden
Die Modeschöpfer Jean Patou, Sonia Delaunay und Elsa Schiaparelli erkannten den frühen Trend des Sonnenbadens in den 1920er Jahren und leisteten Pionierarbeit mit schrillen, aufsehenerregenden Badeanzügen in leuchtenden Farben, die die Bräune unterstrichen.
Nachdem in den 1940er Jahren bauchfreie Tops, Shorts und Zehensandalen, und sechs Jahre später der Bikini auf den Markt kamen, war der Beinahe-Freikörper-Kult nicht mehr zu stoppen. Der Prototyp des Bikinis, das klassische Triangel-Modell, blieb nicht lange allein. Heute ist Bademode bei vielen ein beliebtes Sammlerobjekt und sprengt die Urlaubskoffer nur deswegen nicht, weil sie leicht, dünn und quetschbar ist. Wie beim Phänomen Schuhe gibt es einfach zu viele schöne unterschiedliche Modelle! Im kommenden Sommer wird uns die Wahl nicht leichter gemacht. Bikinis, Monokinis, Tankinis und der klassische Badeanzug, der sein Comeback mit tollen, abwechslungsreichen Looks feiert, machen die Strandoutfit-Auswahl zum echten Training für den Entscheidungsmuskel.
Eins fällt besonders auf: Der Trend aus immer weniger Stoff ist eher rückläufig. Gemütliche Modelle, die kleine Problemzonen kaschieren können, nehmen auch denen, die sich nicht zu makellosen Supermodels zählen, die Angst vor dem Strandgang - und sind trotzdem nicht weniger sexy. Einteiler mit Cut-Outs, Ausschnitten bis zum Bauchnabel und schulterfreie Modelle machen sowohl unifarben als auch in angesagten Ethno- und Dschungel-Prints auf sich aufmerksam. Ein Hingucker ist der Bandeau-Two-Tone-Badeanzug von Marc Jacobs in Dunkel- und Mittelblau, genauso wie der schwarze Klassiker von Hunkemöller mit seitlichen Cut-Outs und schmalem Taillengürtel mit dekorativer Schnalle und kleinen Nieten sowie das süße Model von Miu Miu, ein Neckholder-Badeanzug mit tiefem Ausschnitt und weißen, schmalen Hüftbändchen mit kleiner, mittiger Schleife.
Dazu trägt Frau Kaftans wie das blau-weiße Model von Seafolly mit gelben Kordeln und Tuniken, wickelt sich in Pareos und kombiniert blickdichte XXL-Schals zur Swimwear - zum Eisholen sicherlich ziemlich praktisch. Aber auch stilistisch springt der Trend rückwärts in das letzte Jahrtausend: High-Waist-Höschen und Schalen-BHs von Gottex - in Schwarz und Weiß mit Goldschnallen an Trägern und Hüfte oder in türkisen Ethno-Prints - treffen, genau wie der weiß-rote Polka-Dots-Neckholder-Badeanzug von Lascana, den 50er Jahre Retro-Look Hype - das absolute Must-have in dieser Badesaison. Im hochpreisigen Segment ist dieser Trend ebenfalls zu finden - beispielsweise bei Hermès, wo Badeanzüge und Bikinis mit firmenhistorischen Elementen, Schnitten und Farben des Jahrzehnts ausgestattet sind.
Für alle, die sich lieber im zeitgemäßen Outfit sonnen wollen, gibt es natürlich den altbewährten Triangel-Bikini und das trägerlose Bandeau-Oberteil - diese Saison oft versehen mit Volants, Rüschen und Schmuckelementen, aber auch einfarbig zu finden, von Weiß über zartes Rosé und kräftige Himbeerfarben bis zu Aqua- und Grüntönen. Die breiteren Neckholder gibt es klassisch und abgewandelt als neuen Butterfly-Schnitt, einer Oberteil-Kombination aus Schale und Neckholder.
Stilsicher am Strand
So verschieden der Figurentyp, so verschieden sind auch die persönlichen Glanz-Passformen. Mit ein paar einfachen Tricks bringen sie die Schokoladenseite zur Geltung und kaschieren kleine Problemzonen. Frauen mit einem beneidenswerten Dekolleté sollten dieses auch zeigen, dabei allerdings zu breiten Trägern wie z. B. Neckholdern greifen, damit nichts einschneidet. Diejenigen mit weniger Oberweite sind mit einem wattierten Triangel-Top oder Rüschen-Details und XL-Prints bestens beraten, genauso wie diejenigen mit athletischen Hüften, die dadurch mehr femininen Schwung und optische Rundungen bekommen. Bei zu wenig Taille kann auch ein asymmetrisch geschnittener Badeanzug helfen. Das gegenteilige Problem - breite Hüften - können mit seitlichen Raffungen und Farbeinsätzen in Braun, Dunkelblau oder Schwarz schlanker geschummelt werden. Einen kleinen Bauch lässt man mit neuen, festen Materialien wie Neopren und Teilkorsagen schnell verschwinden, außerdem lenken Blumenmuster und Längsstreifen das Auge ab. Generell sollte die Bademode nicht zu eng sein, denn nur wer sich wohlfühlt strahlt dies auch aus.
Nun bleibt uns nur noch, die wortwörtlich heißersehnten 25 Grad abzuwarten, um mit dem neuen Traum-Look die Fluten zu erobern!
Bildnachweis: Avène / Gottex / Textnachweis: fashionpress.de