„Barton Fink“, „The Big Lebowski“, „O Brother Where Art Tou“ und „Burn After Reading“. Skurrile Titel zu noch skurrileren Filmen. Die Regisseure Joel und Ethan Coen hatten schon immer ein Talent, die etwas schrägeren Seiten des Lebens zu fokussieren und sie in teilweise aberwitzige Geschichten mit vollkommen abgedrehten und obskuren Figuren zu erzählen. Schienen ihre Filme eine lange Zeit nur für ein ganz spezielles Publikum gemacht zu sein, ernteten sie mit ihrer Verfilmung des Cormac McCarthy Romans „No Country For Old Men“ die Begeisterung aller Kritiker und Zuschauer und vor allem 4 Oscars, darunter auch den Preis für den besten Film. Die Coens waren in aller Munde und Köpfe. Ein Erfolg, mit dem sie wohl auch nicht gerechnet hätten und seitdem gilt jeder neue Film von vornherein als Pflichtprogramm für alle, die sich nach guten und ungewöhnlichen Filmen sehnen. So auch ihr neuestes Werk „A Serious Man“
Larry ist Gastprofessor an der Universität und gibt Vorlesungen im Fach Physik. Er führt das beschauliche und sittenstrenge Leben eines ganz normalen, jüdischen Mannes. Er lebt mit seiner Frau, seiner Tochter und seinem Sohn in einem kleinen Häuschen, in der Nachbarschaft von vielen weiteren kleinen Häuschen, fährt einen durchschnittlichen Familienwagen, zahlt seine Hypotheken und hofft derzeit auf eine Festanstellung an der Uni. Eines Tages überfallen ihn plötzlich tausend Probleme und bringen sein geruhsames Leben ordentlich durcheinander. Ein koreanischer Student, der gerade in der Physikprüfung durchgefallen ist, will ihn bestechen, irgendjemand bestellt in seinem Namen Platten bei einem Schallplattenclub, seine Frau will die Scheidung und sein geisteskranker Bruder geht irgendwelchen illegalen Aktivitäten in Larrys Haus nach. Larry will sich nacheinander um seine Sorgen kümmern, kommt aber nicht dazu, weil es immer mehr werden. Als ein ernsthafter Mann bleibt ihm nur noch ein Ausweg: Er sucht spirituellen Beistand bei einem Rabbi.
Die Coens müssen aufpassen. Ihre große Stärke war es immer, ungewöhnliche und total unrealistische Geschichten zu erzählen, die aber dadurch an Authentizität gewannen, dass sie durch unglaublich gründlich ausgearbeitete Figuren getragen wurden. Die Story von „Big Lebowski“ zum Beispiel ist völlig abgedreht, erscheint aber im Vergleich zu den noch abgedrehteren Charakteren wieder recht gemäßigt. Bei „No Country For Old Men“ würde man nicht glauben, dass ein Mensch so kompromisslos böse sein kann, wenn gerade dieser Mensch nicht so extrem dargestellt wäre. Selbst in „Burn after Reading“, den man getrost als unterhaltsamen Nonsens abhaken kann, ging das Konzept auf und es wurde auf überraschend tiefsinnige Weise eine völlig alberne und oberflächliche Geschichte erzählt. Im neuesten Film haben wir wieder eine große Ansammlung von total extremen und völlig unterschiedlichen Figuren, denen aber im Grunde nichts besonderes passiert. Das Gleichgewicht zwischen stark erzählter Story und stark ausgeprägten Figuren ist gestört und fällt zu Gunsten der Präsentation. Das wiederum treiben die Coens dermaßen auf die Spitze, dass sowohl Anfang, als auch Ende des Films völlig sinnlos sind. Nicht nur, dass die Geschichte einfach aufhört, man hat sogar das Gefühl, es würde dem Zuschauer etwas vorenthalten werden. Der Höhepunkt, auf den die ganze Geschichte zu steuert, wird sogar noch visuell und dramaturgisch vorbereitet und bevor er sich entladen kann, rollt der Abspann über die Leinwand. Was auch immer sich die Regisseure bei diesem Kniff gedacht haben mochten: Es lässt ein überaus frustrierendes Gefühl entstehen. Entweder – denkt man – man hat den Film nicht verstanden, oder man wurde hier gerade so richtig verarscht. Es lässt an der Kunstfertigkeit und dem Verständnis für Filme, dass die Coens in ihrem düsteren Meisterwerk „No Country For Old Men“ an den Tag legten, zweifeln. Deshalb sinken sie in der Gunst des breiten Publikums, deshalb gab es auch in diesem Jahr keinen Oscar und deshalb müssen die Coens aufpassen.
„A Serious Man“ erzählt eine jüdische Geschichte und vielleicht haben Zuschauer, die an der Unzulänglichkeit leiden, keine Juden zu sein, einfach nicht das nötige Verständnis, um sie zu ergründen. Bei den Coens war das bisher aber eigentlich nie ein Problem.
A Serious Man (USA 2009): R.: Joel & Ethan Coen; D.:Michael Stuhlbarg, Richard Kind, Sari Lennick, u.a.; M.: Carter Burwell; Offizielle Homepage
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