Letzte Woche habe ich mich der schönsten Nebensache der Welt gewidmet (dass das mit dem Sex Quatsch ist, habe ich an anderer Stelle mehrfach erwähnt): Sich frisieren und frisieren lassen.
Erst wurden mir mit bilingualen Instruktionen die Haare gekürzt. Schon zum zweiten Mal wesentlich erfolgreicher und preisgünstiger als bei Grünton, den ich ahnungslos und mit der traurigen Glanz und Gloria meiner früheren Berliner Zugezogenen-Arroganz bis vor kurzem für in beiden Kategorien unübertreffbar hielt. Aber sowohl der Mini-Oma-Frisör in der Innenstadt, als auch die polnische Discount-Kette "Trendy" wissen, mit kurzem Haar umzugehen. Schade eigentlich, denn eines meiner liebsten Erste-Welt-Abenteuer ist es, nicht zu wissen, wie scheußlich oder wundervoll ich nach einem Frisörbesuch aussehe. Erster verwandelte wenigstens mein Haupthaar mit Hilfe von dafür geeignetem Lack, Spray und Wachs in diesen Neunziger-Jahre Alptraum, vorne gebügelt, hinten hochgerupft, ein Pfau in Aschgrau sozusagen. Bei Trendy bekam ich für 5 Zloty mehr eine ungefragte Glätteisenbehandlung, was für mich, die ich seit Kindheit unter meinen unregelmäßigen Locken leidend, die so manche unliebsame Bekannte und/oder Prenzlbergfrisörin als "bieder" bezeichnete, immer wieder ein ungesundes, guilty pleasure darstellt. Nach der Fremdhaarbefassung rannte ich zu Rossman und kaufte Syoss-Chemie, die ich anschließend absichtlich eine Viertelstunde zu lang einwirken ließ. Das Ergebnis ist: barszcz-farben.
Es gibt nicht vieles, was Barszcz in seiner Intensität, geschmacklich und farblich ähnelt. Umso stolzer bin ich, ein Abbild meiner Lieblingssuppe zu sein. Ich werde mich in jedem Fall mit einem Vorrat dieses Haarzerstörprodukts und der ihm gleichenden Tütensuppe gegen den deutschen Winter (jaha, den draußen und den in der Seele) wappnen. Ich bin lange genug innen unvernünftig und außen vernünftig aschgrau gewesen. So frisiert tummle ich mich in Gdanks und Nowa Hutta. Kombiniert mit schwarzem Second-Hand-Samttutu, schwarzer Bluse über alter grauer Strumpfhose und ebenfalls antrazithnen
Adidas haftet etwas verrucht gruftiges an mir- genauso gut wie das geneigte Klassenkameradinnen schon mit 15 konnten.
Ich aber habe jeher außerhalb Berlins den komischen Drang, mich von meiner Umgebung abzuheben. So muss man mich noch besuchen, möchte man mich in Joga-Pants bei Kunstworkshops assisitieren, in bodenlangem Kleid Museumsführungen halten und in roten Schlaghosen durch geschichtsträchtige Floure wandeln sehen. Zurück in
Berlin sehe ich schneller wieder aus wie eine lesbische Version Rory Gilmores. Wobei ich schon versuchen werde, etwas Juliette Binoche im Kostüm Karen Os mitzuschleppen.
Als Kind konnte ich mir immer nicht vorstellen, wie ich aussehe, denke, fühle, lebe als Erwachsene. Dann verging die 20 und die ein oder andere Zahl dahinter, und ich wusste warum: Weil ich weder erwachsen aussehe, noch denke, noch fühle, noch lebe. Und nach drei Monaten
Krakau dann plötzlich gestern so: That's it. So wie jetzt bin ich sicher nicht mein ganzes Leben, aber ich kann doch sehen, dass so wie ich denke (sozialwissenschaftlich viel über Atrocities und Identitätsbildung, bildungsmäßig viel über Bildnisse dieser), fühle (zu tief und zu viel und zu schnell, aber in gesündere Bahnen gelenkt), lebe (nicht verplant, aber mit Plänen), das kann man ein bisschen die erwachsene Version von mir nennen. Und das geschah tatsächlich durch die äußere Veränderung. Von anfangs sehr seriös im Pleasantville-Style zu sehr casual hippiesk, zu der Mod-Attitüde, in der ich mich eben sehr serious finde. Und weil ich das nicht ironiefrei erzählen kann alles, und ich mir des "Machen sie doch mal was ganz verrücktes, färben sie sich die Haare!"-Faktors nicht erwehren kann, und es durchaus bedenklich finde, dass ich wie vorgefasst über Joga und Beauty-Programm zum Seelenfrieden kam, habe ich eine Playliste für dieses alle Aspekte dieses "Erwachsen" erstellt.
Let's watch our dreams die.
Belle and Sebastian: Step into my office, Baby
Maximo Park: Apply some pressure
The Thrills: Fancy Restaurant
Mikrofisch: Delusions of Decay
Belle and Sebastian: Get me away from here I am dying
Nina Simone: Feeling good
Ben Caplan: Seed of Love
Phantom/Ghost: Thrown out of Drama School
Marina and the Diamonds: I'm not a robot
The Thrills: Faded Beauty Queens
Regina Spektor: Ghost of a corporate future
Belle and Sebastian: Expectations
Tocotronic: Das Unglück muss zurückgeschlagen werden
Socalled: Work on what you got
The Divine Comedy: Generation Sex
Belle and Sebastian: Dear Catstrophe Waitress
Amanda Palmer: Ampersand