1991, irgendein Nachmittag in meinem Dorf.
Wir WAREN zwar nicht die Kinder aus Bullerbü oder Michel aus Lönneberga, aber wir FÜHLTEN uns zumindest wie Lasse, Bosse, Michel und Co. Wir spielten auf dem Acker nebenan, sammelten Steine, sprangen über Bäche, sammelten Nüsse im Wald. Wir bauten gemeinsam Iglos und teilten unsere Geheimnisse. Wir waren unzertrennlich in den wenigen Jahren in denen wir uns eine Straße teilten. Wir klingelten Sturm um den anderen herauszulocken und hätten den letzten Lego-Baustein füreinander gegeben. Meine Nachbarskinder und ich, - WIR waren eine eingeschworene Bande.
Aber was bedeutet das Wort „Nachbarschaft“ überhaupt heute noch?
Meldungen wie der Tod eines alten Mannes, der erst nach Wochen tot in seiner Wohnung aufgefunden wurde, erfüllen mich mit Mitgefühl und Unverständnis. Niemand achtet mehr auf den anderen Mitbewohner. Wir ziehen um, wechseln Anschriften, nehmen Pakete an, um sie dem Nachbarn vor die Tür zu legen, sehen Nachbarn Kisten ein- und auspacken. Man kennt nur noch einen Bruchteil der Bewohner seines Hauses und diesem kleinen Teil sage ich auch bald schon wieder „Auf Wiedersehen!“ Immer getreu dem Motto: "Das Leben der Anderen."
Dabei teilen wir uns über Jahre Decke und Boden, leben Wand an Wand. Doch die einzig wirkliche Intimität die wir uns teilen, wird immer nur die Leine des Wäschekellers bleiben. Irgendwie seltsam, diese fehlende Nähe, trotzdem uns das fehlende Päckchen Backpulver um den lang ersehnten Backsonntag bringt. Einfach mal nebenan klingeln? Macht man das überhaupt noch?
Anonymität.
Internet, Smartphone, oder Tablett, all das vermittelt doch nur eines, - keinen persönlichen Kontakt zum Gegenüber, dafür aber jede Facette des Lebens offen dargelegt. Möchte man etwas von seinen Mitmenschen oder Nachbarn wissen, "googelt" man sie einfach. Wann nur ist diese Welt so Gefühlskalt und fremd geworden? Ich wohne direkt neben einer Schule und einem naheliegenden Spielplatz. Aber was glaubt ihr, wie oft ich spielende Kinder sehe ...?
Die Menschen isolieren sich zunehmend, leben nur noch für sich selbst. Mehr und mehr vereinsamen wir und enden wie der erwähnte alte Mann oder wie es in einem Lied von Reinhard Mey heißt:
"Der alte Mann am Fenster gegenüberist nicht mehr da, jetzt ist das Zimmer leer.Ganz unwillkürlich geht mein Blick hinüber,das ich ihn sah, wie lang ist das jetzt her?Zwei steingraue, teilnahmslose Gestaltentrugen ihn heute Morgen aus dem Haus."
Wann habt ihr mit euren Nachbarn zuletzt ein Wort gewechselt? Zeit es einmal wieder zu tun?
Eure,