A Girl Walks Home Alone At Night ist eine Art düsterer Indie-Vampir-Thriller mit Western-Touch, in welchem zwei ungewöhnliche Charaktere an einem Ort, in dem zahlreiche verlorene Seelen leben, nach Liebe und Zuneigung suchen.
Irgendwo im Iran befindet sich eine verlassene Geisterstadt namens “Bad City”, in welcher gespenstische Existenzen, Prostituierte, Zuhälter und Junkies leben. In dieser Tristesse fristen auch Arash (Arash Marandi) sein Dasein: Er arbeitet hart, kümmert sich um seinen drogensüchtigen Vater Hossein (Marshall Manesh), der zudem spielsüchtig und hoch bei Saeed (Dominic Rains), einem Dealer und Teilzeit-Zuhälter, verschuldet ist. Da Saeed von Hossein sein Geld nicht bekommt, nimmt er kurzerhand den neuen Sportwagen von Arash als Pfand und lässt den jungen Mann, der sich in das Bild der depressiv-verlorenen Stadt nicht ganz einreihen will, am Boden zerstört zurück. Als er Saeed schließlich doch zur Rede stellen will, trifft er das erste Mal auf eine verhüllte junge Frau (Sheila Vand), von der er auf Anhieb fasziniert ist. Was Arash noch nicht weiß: Sie ist ein Vampir und streift nachts durch die Dunkelheit, lauert dabei den Bewohnern auf und ernährt sich vor deren Blut.
A Girl Walks Home Alone At Night ist überraschenderweise kein platter, herkömmlicher Vampir-Film mit eingebauter Romanze, sondern der erste iranische Noir-Thriller über Blutsauger (Gedreht wurde übrigens nicht im Iran, sondern in einer verlassenen Stadt in Kalifornien). Regisseurin Anna Lily Amirpour, die ihren ersten Kurzfilm im zarten Alter von zwölf Jahren und mit diesem Film ihren ersten Langfilm drehte, hat sich für eine kontrastreiche Schwarz-weiß-Produktion entschieden, welche die Tristesse perfekt wiederspiegelt und für zugleich für eindrucksvolle Chiaroscuro-Bilder sorgt. Hinzu kommt ein fantastischer Soundtrack, der die Bilder und die Stimmung perfekt unterstreicht.
Der düstere Stil, der hin und wieder mit seiner teils überzeichneten Optik an Comic-Verfilmungen a la Sin City oder minimalistische On-Location-Werke wie jene von Jim Jarmusch (am ehesten vielleicht der unterschätzte The Limits of Control) erinnert, paart sich mit der faszinierend-reduzierten Erzählweise der Regisseurin. Amirpour konzentriert sich darauf, die traurigen Geschichten hinter den Charakteren, die in einer trostlosen Stadt hausen, nicht schwerfällig zu erzählen, sondern dem Ganzen auch einen visuellen Unterbau aus grandios gestalteten Tableaus zu geben. So dreht sich der Film aber auch nicht nur um das nackte Überleben, Sucht und Abhängigkeit, sondern ebenso, oder vor allem, um Liebe.
Nach Jarmuschs Only Lovers Left Alive ist A Girl Walks Home Alone At Night wohl einer der ungewöhnlichsten, dabei aber charmantesten Vampir-Filme, der mit einer bestechenden Symbiose aus Bildern und Musik das Publikum in seinen Bann zieht. Regisseurin Amirpour gelingt es, ihren Indie-Vampir nicht nur vom Blut getrieben auf die Leinwand zu bringen, sondern sie schafft Raum für menschliche Gefühle, vor denen sich auch die verhüllte Untote nicht verstecken kann. Dies kommt in einer erwähnenswerten Slow-Dance-Einlage sehr gut zum Einsatz, in dem sich sich die Protagonistin und und ihr männlicher Begleiter verlieren (eine wunderschöne Szene, die mit einem Song der White Lies unterlegt ist).
A Girl Walks Home Alone At Night ist ein visuell starkes, dabei auch zutiefst melancholisches Indie-Werk, das von seiner dominanten, mysteriösen Hauptfigur getragen wird. Mit seiner fesselnden, düsteren Atmosphäre und feiner musikalischer Untermalung wird hier der Glaube dargelegt, dass Liebe zwischen Düsternis und Tristesse zu finden scheint. Eine willkommene Abwechslung aus der Indie-Szene, die banale Hollywood-Klimbim-Produktion der Marke Dracula Untold schnell vergessen lässt.
Regie und Drehbuch: Ana Lily Amirpour
Darsteller: Sheila Vand, Arash Marandi, Mozhan Marinó, Dominic Rains
Laufzeit: 99 Minuten
gezeigt im Rahmen derViennale 2014
http://films.vice.com/a-girl-walks-home