"... a drunken land is much easier to govern. True Story."

Von Gummiball
Sitzen, Aufspringen, Mitbewohner begrüßen, Gummibärchen essen, Jelly Beans futtern und Musik hören macht auf Dauer ziemlich hungrig. Wer kennt es nicht? Klare Sache also, ab in die Mensa! Nun begab es sich dass die Cafeteria just an dem Tage meiner Ankunft neu eröffnet wurde, nagelneues Bauwerk. Die Entfernung ist mit 1-2 Minuten durchaus zu überwinden und wenn man von diesen Metern, bei 35 °C, bereits ordentlich ins Saften gekommen ist wird man von der Klimaanlage bereits willkommen geheißen.
Also rein in den Reistempel und staunen: Strahlend weiße Tische und Stühle, Sofas, im oberen Stockwerk eine Bar (nur zugänglich für Mitarbeiter der ICU - die 15.000€ Studiengebühren sind also gut angelegt) eine Kaffeebar und dann die Essensausgaben. Täglich "Italian Food" was mal Pizza und mal Nudelvariationen sind, täglich ein "Rice & Curry" Bereich und zwei Menüs. Mit 300 Yen also etwas um die 2,80€ ist es dabei günstiger als selbst gekocht.
Man mag meinen "Oh ja jetzt werde ich hier mit einer Beschreibung einer Standard-Mensa gequält - da kann ich mich besser wieder dem Hartz 4 TV widmen." Dem mag ich natürlich nur entgegen: "Mit nichten!"
Also was zeichnet dieses neue Bauwerk aus? Klar die japanischen Gerichte und dass das meiste doch durchaus gesund ist und man hier auf deibel komm raus keine Currywurst mit Pommes Mayo findet und die Frage nach der Mantaplatte unbeantwortet bleibt. Zwei weitere Dinge scheinen mir erwähnenswert, man begegnet ihnen chronologisch.
  1. Nachdem man sich sein Tablett voll gestellt hat ist die Kasse zu erwarten, aber weit gefehlt. Erst einmal wird in aller Ruhe gegessen und es wird auf die moralischen Werte der Studenten vertraut, dass diese nach dem Essen nicht einfach aufstehen und das Weite suchen. (Vorschau: "In God we trust and we swear to obey the human rights declaration of the United Nations" - da gibbet auch noch was zu ;) ) Es wird also nach dem Essen mit einer üblichen Mensa-Card bezahlt. Mich würde wirklich interessieren ob so ein Modell in Deutschland funktionieren würde!
  2. In der Mensa gibt es kein Kassenpersonal und auch keinen Automaten dem ich mitteile was ich alles gegessen habe. Es gibt Computer und Sensoren. Ich platziere also das Tablett unter einem der Rechner und der ermittelt nun erst einmal welches Gericht ich hatte, wie viel ich davon in etwa gegessen habe und in Abhängigkeit davon wie viele Kalorien, Vitamine, Mineralstoffe etc. ich zu mir genommen habe. Zumindest das Erkennen der Gerichte halte ich für einen Trick und unterstelle dass RFID Chips zum Einsatz kommen die in die Teller eingearbeitet sind - bleibe da am Ball und werde der Geschichte auf die Schlichte kommen.
Das ist also die Mensa. Notiz nach Rulle - Mama: Ich werde hier die ganze Woche mit Frühstück, Mittagessen und Abendessen versorgt. Kann von 9 - 22 Uhr das Bistro aufsuchen und werde ganz sicher nicht verhungern - solange ihr mir kontinuierlich mein Kreditkartenkonto auffüllt :) . Es liegt also an euch.
Weiter im Text: Hanging around having a coffee and getting to know each other. Durchaus interessanter Haufen der hier herum läuft. Zu meinen Mitbewohnern zählen Japaner, Chinesen, Koreaner, Philippiner, Mexikaner, Uruguayer, Kanadier, Amerikaner, Franzosen, Engländer, Russen - um mal nen Überblick zu geben. Global House passt also wohl. Gesprochen wird vor allem Englisch und Japanisch, läuft.
Der Abend: Um mal einen Eindruck zu verschaffen wie ungerecht teuer dieses Land ist, ist es am besten sich vor Augen zu führen dass eine Kiste Bier [ビール](standesgemäß aus Dosen) im Supermarkt 45€ kostet. Was tun fragt man sich - scheint sich auch schon ein Japaner gedacht zu haben und hat happoshu (発泡酒) erfunden. Wenn ich es richtig verstanden habe wird bei happoshu der Hopfenanteil reduziert und damit eine hohe Besteuerung vermieden. Die ,nennen wir sie wohlwollend, Plörre kostet lediglich 25 - 30 €. Hauptverwendung ist Bier-Pong denn mit dem Weg um die Steuer wurde gleichzeitig ein Weg um den guten Geschmack gefunden.
Da nehme man doch lieber das für 45€, welches immerhin nach deutschem Reinheitsgebot gebraut wurde! Manchmal.
Anker lichten und auf zu großen Fahrt hieß es dann am Abend in einer der Units - nen Gestell Pilsbier wurde angeschleppt, dann noch eines (dank der Tatsache dass in Tokyo wert auf 24/7 gelegt wird kann man hier immer los ziehen und nachladen - geiles Land) und da guckste kaum weg ist die erste Hälfte der Leute dicht wie ne Haubitze. Man sollte sich da nichts vormachen, einige der Jungs und Mädels vertragen nichts. Garnichts. Klar dass man sich nicht beschwert dass Bier so teuer ist wenn man nach nem Liter davon bereits den Mann mit dem Hammer auf sich zukommen sieht. Wer sich als standhaft gegenüber Bier erwies wurde mit Sake ( 酒), Wein, Whiskey, Grappa und last but not least einer guten Flasche handverlesenem polnischen Vodkas mit 95% gefügig gemacht.
Ich bin alt - sehr alt! Meine trüben und aufgrund meiner 24 Jahre bereits schwachen Augen und meine nurnoch rauschenden Ohren haben festgestellt, dass kaum jemand mein Alter erreicht. Es startet hier mit zarten 17 Jahren, wobei der Schnitt von zwei "Rotary Club" Friedensforschern mit 47 und 30 Jahren doch nochmal gezogen wird. Werde den Friedensforschern nachher mal nen Besuch abstatten und nen Foto von den Jungs machen, denn ich bin mir sicher der eine ist Tim Allen (Tim Taylor der Heimwerkerking) oder Bruder nach ner Runde "Supersize Me". Selbstverständlich weiß ich das Alter zu meinem Vorteil zu nutzen und komme daher nicht alle 5 Minuten auf die Idee mir einen der 95% Beschleuniger ein zu verleiben (oder Looping Louie Silvester mit Strohrum zu spielen)- wenn man jedoch mit seinen 17-20 Lenzen aus dem Land der Träume in das Land des Lächelns kommt und zum ersten Mal ne "WG-Party" mitmacht sieht das hingegen oft anders aus. Anfängerfehler - aber learning by doing, von daher "Leinen los".
Am nächsten Morgen startete pünktlich um 8 Uhr unsere Einführungswoche - Vorbereitung: 3 Stunden Schlaf. Doch das ist eine andere Geschichte. :)