Von Stefan Sasse
Obama hat die Wiederwahl deutlich gewonnen. Er siegte in jedem Swing-State, selbst in Florida und North Carolina, wo Romney laut den Prognosen in Führung lag. Die Mehrheitsverhältnisse im Electoral College - wo die eigentliche Präsidentenwahl stattfindet - liegen bei 303:203. Zur Wahl wären 270 notwendig gewesen. Es ist zwar kein Landslide Victory, den Obama hingelegt hat - dafür war die Polarisierung im Vorfeld wesentlich zu hoch - aber die Botschaft ist deutlich genug. Seine Mehrheit für eine zweite Amtszeit ist nur unwesentlich schwächer als für seine erste, und er kann mit Fug und Recht von einem deutlichen Mandat für "four more years" sprechen. Bemerkenswert ist daran zweierlei: einerseits, dass Obama nun seine Langzeitagenda (auf deren Existenz Jonatchan Chait und Andrew Sullivan immer wieder hingewiesen haben) umsetzen kann und andererseits, dass der Medienzirkus der letzten Wochen seit der ersten Debatte genau das war: ein reiner selbstreferentieller Medienzirkus.
Sehen wir uns zuerst das zweite Argument an. Nach der desaströsen ersten Debatte begann für Romney, was in den Medien enthusiastisch als "surge" oder "momentum" bezeichnet wurde. Beides gehört zur Folklore jedes US-Wahlkampfs hinzu: wer das Momentum hat, der wird quasi von einer Welle der Zuversicht zur Spitze getragen. Dieses Momentum war jedoch von Anfang an eine reine Medienblase. Obamas Performance in der zweiten und dritten Debatte dürfte die wenigen Zweifler, die die erste verursacht hatte (abseits der Medien) locker wieder in die Herde zurückgebracht haben. Der Hintergrund ist der, dass die Idee einer breiten Schicht von "Independents", die quasi bis zum Wahltag überzeugt werden wollten, von Beginn an ein Hirngespinst war, eine reine Erfindung zum Spinnen eines größeren Narrativs. Wer in der aktuellen politischen Atmosphäre in den USA nicht bereits während des Vorwahlkampfs wusste, ob er demokratisch oder republikanisch abstimmen wollte, der ist kein Independent - er ist ein Low-Information-Voter, eine Schicht, die über so wenig Informationen verfügt, dass sie sich Dingen wie der Performance in einer strukturierten Debatte tatsächlich überzeugen lässt. Diese Schicht ist nicht größer als 10% der Wähler und hat sich als praktisch vernachlässigbar herausgestellt.
Ebenfalls vernachlässigbar und unbedeutend, vielleicht sogar schädlich, war die Wahl Paul Ryans zum Vizepräsidentschaftskandidaten. Ryan war der Darling der extremen Rechten, aber er hat offensichtlich nicht die Glaubwürdigkeit zur Romney-Kampagne hinzugefügt, die diese ob der wechselhaften Vergangenheit Romneys dringend benötigt hätte ("Flip-Flopper"); stattdessen wurde "Lying Ryan" zum Dauerslogan der Linken. Die permanenten negativen Werbespots der Demokraten waren darüber hinaus überaus effizient und zeichneten Romney als herzlosen Plutokraten. Daran konnte keine Mediengeschichte über Momentums und "surges" etwas ändern.
Obama hat nun vier Jahre, um seine bisherigen Erfolge abzusichern und auszubauen (den Wechsel in der Außenpolitik, Obamacare, Gleichberechtigung für Homosexuelle, etc.). Seine Agenda ist nicht auf vier Jahre angelegt, sondern auf acht - er dürfte, vorausgesetzt es geschehen keine Katastrophen - in seiner zweiten Amtszeit einen gewaltigen "payoff" ernten.
Die Wahl Obamas zeigt, dass die Amerikaner überwiegend doch nicht so irrational sind, wie das bisweilen schien. Weder fallen sie dem Medienzirkus zum Opfer, noch den platten Parolen. Die Mehrheit hatte sich schon weit vor dem eigentlichen Wahlkampf entschieden und musste "nur" mobilisiert werden - und offensichtlich hatten die Demokraten die Unterstützung der Bevölkerung zu einem wesentlich größeren Teil als Romney.