Erfolge gibt es keine – wer das versteht, kann auch schreiben. Das heisst nicht, dass es keine Anerkennungen gibt, keinen Zuspruch, keinen Ruhm und kein Geld; nur ist das kaum mehr als partielle Schmerzlinderung. Es hilft dem materiellen Überleben, ist aber immer nur Ersatz und kann die innere Logik des Scheiterns, die in der Sache selbst begründet liegt, nie ausser Kraft setzen. Die Sache: Das ist die immerwährende Differenz der poetischen Schrift zur Welt, in der sie erscheint. Jede Kommunikation erfüllt sich nach Art und Weise eines Arrangements der Missverständnisse; ein positives Arrangement ist die Übereinkunft im Irrtum, und sie wird immer erst dann brüchig, wenn ein Text nächsthöherer Ordnung den Hinweis auf diese Störungen liefert. Das ist die Wirkungskraft der Poesie: die falsche Gültigkeit der Diskurse zu durchbrechen und für eine Neugründung der Gedankenwelt zu sorgen. Dieser grandiose Anspruch aber zerfällt an sich selbst im Augenblick der Gewahrwerdung, auch nur eine Differenz im Feld von Differenzen zu sein – und das ist das unabdingbare Scheitern. (…)
Die falsche Förderung ist gemeingefährlich und schafft die Talente gleich wieder ab, die gerade erst publizistisches Licht gesehen haben; sie illusioniert und sorgt für falsche Verhältnismässigkeiten. Die Zeit der «Fräuleinwunder» ist wohl vorbei – aber wie gross das Wertkapital Jugend auch in der Literatur geworden ist, kann nur erschrecken. Und dahinter steht immer ein Funktionsinteresse: Werte aufzubauen, um sie demontieren zu können. Die Besprechungskurven zeichnen das gut sichtbar nach. Eben noch war uns der Heiland erschienen, und schon ist es Abfall. Je höher das Lob, umso tiefer der Fall. / Kurt Drawert, NZZ
Auszug aus dem Band «Schreiben. Vom Leben der Texte», der im September bei C. H. Beck erscheint.