94. Stück: Theater, Social Media und SEO – gar nicht mal so verschieden?

Wie einige von euch vielleicht schon wissen, teilt sich mein Berufsleben in zwei Phasen: Theater und Internet. Auf den ersten Blick scheint das beides wenig gemeinsam zu haben.

Schließlich stehe ich beim Theater in voller Lebensgröße da und spreche Texte, die jemand anders geschrieben hat. Als Online Redakteurin hingegen sitze ich an meiner Tastatur und schreibe selbst die Texte – oft, ohne dass ich als Person überhaupt in Erscheinung trete.

Aber ist die Arbeit am Theater und die an der Tastatur wirklich so verschieden? Ich finde nicht. Schaut man genauer hin, machen sich ein paar Gemeinsamkeiten bemerkbar.

Unmittelbarkeit und direkte Kommunikation

Das Besondere am Theater ist die direkte, unmittelbare Kommunikation zwischen den Schauspielern auf der Bühne und den Menschen im Publikum. Es entsteht eine sogenannte Feedbackschleife: Die „Energie“ der Zuschauer überträgt sich auf die Schauspieler und umgekehrt.

Und im Internet? Ist es vor allem auf Social Media ganz ähnlich. Insbesondere, wenn man auf Facebook, Instagram oder YouTube einen Livestream per Video sendet und die Kommentare der User in Echtzeit sieht und beantworten kann, wird die unmittelbare, direkte Kommunikation zwischen „Akteuren“ und „Zuschauern“ offensichtlich.

Doch auch, wenn man nicht live sendet, sondern einen Tweet, eine Statusmeldung oder einen Link postet, kann man dieser direkten Kommunikation nahekommen. Das funktioniert auch, wenn man eine Kommentarfunktion oder die Möglichkeit einer Bewertung unter den Artikeln hat, die man im Netz publiziert.

Da sieht man dann, wie die eigenen Inhalte bei den Lesern ankommen und es überträgt sich oft eine Stimmung von einem User zum anderen und schließlich auch auf den Autor.

Das ist nicht immer schön: Im Gegensatz zum Theater sitzen die Menschen im Internet nicht nebeneinander. Da vergisst der eine oder andere schon mal seine gute Erziehung und motzt, pöbelt, stänkert und trollt, nur um sich wichtig zu machen – und diese aggressive Grundstimmung färbt dann auf die anderen User ab.

Nichtsdestotrotz finde ich das unheimlich spannend, diesen Prozess zu beobachten. Und manchmal versuche ich, die Grundstimmung in eine andere Richtung zu lenken, indem ich sachliche, höfliche und interessierte Kommentare schreibe.

Allerdings sind meine Nerven da auch nicht unbegrenzt strapazierbar … da fühlt man sich manchmal so, als würde man als Schauspieler auf der Bühne ausgebuht und mit faulen Tomaten beworfen. Und da hilft gelegentlich nur noch der Rückzug.

Einzigartigkeit der Inhalte

Über den ephemeren Charakter des Theaters hatte ich ja schon mal einen Essay geschrieben. Dieses Vergängliche, das „im Moment sein“ jeder Aufführung, macht den Zauber des Theaters aus, macht es einzigartig.

Einzigartigkeit ist auch das, wonach wir Online-Redakteure mit unseren Inhalten streben. „Unique Content“ nennt sich das dann und unter SEO-Experten (Search Engine Optimization, Suchmaschinenoptimierung) ist man sich relativ einig, dass man damit bei Google Punkte sammeln kann – sofern der einzigartige Inhalt auch für das Thema der eigenen Website relevant ist und dem User einen echten Mehrwert bietet. Sonst könnte man ja auch irgendeinen willkürlichen Murks zusammenspinnen und behaupten: Bäm! Das ist jetzt „Unique Content“ ihr Luschen!

Der Rezipient beeinflusst wesentlich Erfolg und Scheitern

Apropos Mehrwert für den User: Das ist im Prinzip der Kern von erfolgreicher SEO- und Social-Media-Arbeit. Klar, im Detail setzt sich dieses simpel klingende Prinzip aus vielen kleinen Einzelheiten zusammen – viele davon kann man mit verschiedenen, spannenden Tools messen, analysieren und interpretieren. Manchmal kommt es aber auch einfach auf Intuition, Menschenkenntnis und Empathie an.

Das ist mit der Arbeit des Schauspielers und Regisseurs durchaus vergleichbar. Man braucht sowohl solides Handwerk (Stimmbildung, Sprechtraining, körperliche Fitness) als auch Talent und Gespür. Und ob man mit seiner Kunst Erfolg hat oder scheitert, hängt vom Publikum ab.

Wenn man auf der Bühne nur sich selbst beweihräuchert, abfeiert und sich gegenseitig bestätigt, die Zuschauer aber ignoriert, wird man keinen unvergesslichen Theaterabend bescheren. Das Publikum wird sich ausgeschlossen fühlen, sich langweilen, vielleicht sogar ärgern und unruhig werden. Schlimmstenfalls sogar zu Scharen den Raum verlassen. Vielleicht spricht sich herum, wie unerträglich das Stück ist, das Publikum wird weniger, bleibt schließlich ganz fern. Ungünstig.

Umgekehrt kann man das Publikum mitreißen, verzaubern und dafür sorgen, dass die Zuschauer anders das Theater verlassen, als sie es betreten haben. Dafür ist es wichtig, dass man auf das Publikum eingeht, ohne sich anzubiedern – wie bei einem richtig guten Text. Und auch das kann sich herumsprechen: wie toll und einzigartig und wunderbar dieses Theaterstück war oder dieser Online-Artikel ist.

Rollenarbeit und Marketing

Mit Rollenarbeit bezeichnet man bei Schauspielern das Entwickeln einer Figur. Da gibt es unzählige Schauspieltheorien, die einem diese höchst individuelle, komplexe Arbeit erleichtern kann (oder auch nicht, wie zum Beispiel Strasbergs Method Acting meines Erachtens). Ein Ansatz ist, eine Biografie für die eigene Figur zu schreiben. Das kann man sehr ausführlich machen – oder man notiert in Stichpunkten bestimmte archetypische Eigenschaften, die einem bei der Orientierung und Ausrichtung der Figur helfen.

In eine vergleichbare Richtung geht im Online Marketing die Methode der sogenannten Buyer Personas. Dabei entwirft man Archetypen als Vertreter der eigenen Zielgruppe. In Stichworten notiert man dann bestimmte Charakteristika, die diese Archetypen kennzeichnen, und die einem bei der Orientierung und Ausrichtung der eigenen Inhalte helfen.

Das erinnert auch ein wenig an das Konzept des „idealen Lesers“ aus der Erzähltheorie. Da habe ich im Erzähltheoretischen Kolloquium und in Uni-Seminaren schon erbitterte Diskussionen erlebt, ob man diesen „idealen Leser“ und insbesondere sein Äquivalent, den „idealen Autor“, überhaupt braucht. Man habe den realen Leser und realen Autor, den Erzähler und die Figuren, das reiche ja wohl, um einen Text zu analysieren und zu interpretieren.

Ich sehe das ganz pragmatisch: Wenn man es hilfreich findet und es dazu führt, dass man eine bessere Vorstellung der angepeilten Zielgruppe, des angepeilten Lesers, erhält und daraufhin bessere Texte schreibt … dann ist doch alles fein. Dann muss man sich echt nicht wegen Begrifflichkeiten und Definitionen in die Haare kriegen und seine Zeit mit rechthaberischen Diskussionen verplempern.

—-
Und, liebes Publikum, liebe Leser: Wie seht ihr das? Sind das Internet und das Theater zwei völlig verschiedene Welten? Oder könnt ihr meine Beispiele nachvollziehen? Schreibt es mir in den Kommentaren, ich bin gespannt.

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