Seit einem Vierteljahrhundert publiziert sie Bücher mit Titeln, die verdeutlichen, dass es ihr nicht um eine „realistisch“ verstandene Literatur geht: „Tintenfisch auf Reisen“, „Wie der Wind im Ei“, „Opium für Ovid“, „Überseezungen“, „Das nackte Auge“ und eben jetzt „Abenteuer der deutschen Grammatik“.
Gemeinsam ist diesen poetischen Texten, Gedichten, essayistischen Äußerungen und dramatischen Versuchen, dass sprachliche Wendungen, Redensarten, besondere Formen der Grammatik und eingeschliffene Verhaltensweisen, habituelle Besonderheiten und zivilisatorische Vorlieben neu gesehen werden, wie das nur jemandem möglich ist, dem das Vergleichen zur zweiten Natur geworden ist.
… In den „Passiv“ überschriebenen Zeilen findet sich der Aphorismus „Die Passivität ist die Zukunft der Vergangenheit“. Dass Sprachspiele mit Liebesspielen zu tun haben, zeigt das Gedicht „Die Konjugation“, das auch „Die Kopulation“ heißen könnte: „er hemt / wenn ich bluse /weiche in den händen der wäscherin am hafen / glänze nicht ohne den gültigen spaß / fiebere nach kunstseide / er hemt den fortschritt / schimpft mit der kunst und dem stoff / er hütet / wenn ich hose / ich hose die schneiderpuppe / ich schneide / du liebste / ich pistole / du angst / wir arbeiten an der Änderungs- / Grammatik“.
Yoko Tawada, 1960 in Tokio geboren, ist ausgesprochen polyglott: außer Japanisch und Deutsch spricht sie fließend Russisch und Englisch und hat keine Schwierigkeiten, sich weitere europäische Sprachen anzueignen. So kann man ihr vertrauen, wenn sie festhält: „Eine Hose kann nur im Deutschen tot sein.“
Und wie anders die Japaner ihr „Ich liebe Dich“ ausdrücken! Übersetzt man die entsprechende japanische Wendung ins Deutsche, kommt „Was mich betrifft, bist du begehrenswürdig“ heraus. Man sollte Japanisch lernen. / Paul Michael Lützeler, Tagesspiegel
Yoko Tawada:
Abenteuer der deutschen Grammatik. Konkursbuch Verlag Claudia Gehrke, Tübingen 2010. 62 Seiten, 8,50 €.