Zur Zeit der sandinistischen Revolution verkaufte sich Nicaragua als «Land der Vulkane und der Poesie». Dichten, Singen und Träumen von einer besseren Zukunft gehören zur zweiten Natur der Nicaraguaner. Spätestens seit der Nationaldichter und Erneuerer der spanischen Lyrik Rubén Darío Weltruhm erlangte, hat jeder «Nica» – so die geläufige Bezeichnung für die Nicaraguaner – seine eigene poetische Ader entdeckt. Ob Politiker oder Anwalt, ob Student oder Sekretärin, wer etwas auf sich hält, schmiedet Verse. Man erzählt sich, dass in früheren Zeiten sogar Eingaben ans Finanzamt in Verse gegossen wurden und auf Grabsteinen die letzte Gedichtzeile des Verstorbenen prangte.
Granada selber hat sich zur lyrischen Hochburg des Landes erklärt, nicht zuletzt weil eine der auffälligsten Gestalten der Revolutionszeit, der Priester und Poet Ernesto Cardenal, hier geboren wurde und weil hier das der Völkerverständigung gewidmete Kulturzentrum «Casa de los tres Mundos» (Haus der drei Welten) steht. Dessen Gründung geht auf die Initiative Cardenals und des österreichischen Schauspielers Dietmar Schönherr zurück. Cardenal selber richtete als Kulturminister in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts im ganzen Land «Werkstätten der Poesie» fürs Volk ein. / Richard Bauer, NZZ
Interessantes vermeldet der Artikel auch über das Poesie-Festival von Granada, dessen 8. Auflage für Februar 2012 geplant ist:
Auf dem taghell erleuchteten weiten Platz neben der barocken Kathedrale werden vor Hunderten verzückter Zuhörer nächtelang Gedichte rezitiert und Balladen gesungen. An einer Buchmesse signieren die Autoren ihre Werke. Zum Abschluss des Festivals fährt – dem Papamobil ähnlich – ein mit Lautsprechern bestücktes «poeta-móvil» durch die Strassen, auf dem Dichter ihre Verse lesen. Begleitet werden sie von einem Umzug wild lärmender Tanz- und Fasnachtsgruppen.
www.festivalpoesianicaragua.com