91. Stück: Was wir vom „Disaster Artist“ Tommy Wiseau fürs Leben lernen können

Von Isa09

Zurzeit läuft „The Disaster Artist“ von und mit James Franco in den Kinos und das ist ein Film, den man sich nicht entgehen lassen sollte. Erzählt wird die Geschichte von Tommy Wiseau, der mit „The Room“ den wohl schlechtesten Film aller Zeiten gedreht hat. Das ist übrigens kein Witz, noch nicht einmal übertrieben, der Film ist wirklich grottenschlecht und macht so ziemlich alles falsch, was man beim Filmemachen, Schauspielen und Geschichtenerzählen nur falsch machen kann.

Hier ein paar Impressionen:

Die Dialoge sind banal, hölzern und redundant. Die Figuren haben überhaupt keine Charakterzeichnung, keine nachvollziehbaren Motive. Die Schauspieler wissen überhaupt nicht, was sie da eigentlich tun und was von ihnen erwartet wird.

Die aristotelischen drei Einheiten von Ort, Zeit und Handlung sucht man ebenfalls vergebens. Die Handlung entbehrt jeder Logik. Es werden Handlungsstränge aufgegriffen, die niemals wieder eine Rolle in der Geschichte spielen, zum Beispiel Dannys Drogenproblem und sein Streit mit dem Dealer oder der Brustkrebs von Lisas Mutter.

Wie viel Zeit vergeht, bleibt ebenfalls völlig schleierhaft. Eigentlich soll die Hochzeit von Johnny und Lisa kurz bevor stehen, einmal sieht man sie auch alle in (schlecht sitzenden) Anzügen herumlaufen, aber eine Hochzeit gibt es nie.

Und wie sie von einem Ort zum nächsten kommen, ist ebenfalls mit Logik nicht zu erklären. Da gehen sie im Erdgeschoss aus der Wohnzimmertür und landen wie durch ein Wunder auf der Dachterrasse.

Man kann also definitiv von „The Room“ sehr viel übers Filmemachen lernen, nämlich alles, was man nicht tun sollte.

Aber was kann man denn von Tommy Wiseau fürs Leben lernen? Kritische Selbstreflexion und Umgang mit Feedback jedenfalls schon mal nicht:

Als ich „The Disaster Artist“ im Kino sah, erinnerte mich sehr viel an meine eigene Schauspielausbildung. In meine beiden Vorsprechen bin ich nämlich tatsächlich mit einer sehr ähnlichen Haltung (und ähnlichem Talent) hineingesprungen wie Johnny bei seiner Vorführung an der Schauspielschule.

Beim ersten Vorsprechen trug ich eine superdramatische Szene aus Arthur Millers „Hexenjagd“ vor und es war schlimm, wirklich auf „You’re tearing me apart, Lisa!“-Niveau. Die Kritik hinterher lautete: „Du leierst hier deinen Text runter, und das auch noch schlecht, und du verkaufst dein Publikum wohl für blöd.“ Beim zweiten Vorsprechen vergaß ich den Text und musste improvisieren. Aber beide Male habe ich mir nicht groß Gedanken darüber gemacht, was die „Jury“ wohl von mir denken könnte. Ich bin einfach hingegangen, hab mein Bestes gegeben (zugegeben: nicht viel) und hatte Spaß!

So wie Johnny, wenn er spielt, nur dass er nicht weiß, wie schlecht er ist. Aber das macht ihn absolut furchtlos, und er bleibt sich die ganze Zeit über treu. Er ist konsequent, weiß was er will, und lässt sich nicht unterkriegen. Und das finde ich toll! Ich kann total verstehen, warum Greg sich mit ihm angefreundet hat und mit ihm zusammen diesen unfassbar grottigen Film gedreht hat.

Im Grunde haben Johnny und Greg ja auch ihre Träume erfüllt, sie wollten Filme machen und als Schauspieler arbeiten und das haben sie geschafft. Gegen alle Widerstände und trotz offenkundig fehlenden Talents. Ich denke, das erfordert unheimlich viel Mut und einen langen Atem, das so durchzuziehen.

Nun muss aber nicht jeder ein berühmter Schauspieler werden, nur weil er nicht spielen kann. Ich bin heilfroh, aus der Nummer raus zu sein. Das ist etwas, das man von Tommy Wiseau wiederum nicht lernen kann: Wer „A“ sagt, muss nicht „B“ sagen – er kann auch einsehen, dass „A“ falsch war, und stattdessen „C“ tun. Mit anderen Worten: Es ist auch völlig in Ordnung, sich umzuentscheiden und etwas anderes zu versuchen, nachdem man mit einer Sache gescheitert ist.

Aber wenn man dann etwas gefunden hat, das einen erfüllt, ganz gleich, was das ist, kann man sich vom „Disaster Artist“ diese furchtlose Art, diese Hartnäckigkeit und den Glauben an sich selbst abgucken.

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