Für Neues Deutschland interviewt Hans-Dieter Schütt den Pfarrer und Dichter Christian Lehnert:
nd: Christian Lehnert, es gibt ein Gedicht von Günter Kunert, darin beschreibt er das Schicksal des Dichters: Er suche nach dem ersten, dem gültigen Wort – finde aber stets nur das zweite, schwächere.
Lehnert: Aller Anfang – das ist jetzt nicht nur dichtungsbezogen, sondern theologisch gedacht – entzieht sich uns ins Mythische, ins Metaphorische. Den Anfang haben wir nicht. Wenn wir über ihn nachdenken, oder auch über das Ende, dann treffen wir auf einen blinden Fleck.
Der Dichter hofft dennoch, das gültige Wort zu finden.
Damit begibt sich ein Gedicht, begibt sich Sprache an den Rand des Möglichen, wo sie gewissermaßen aufzuhören droht. Schreiben ist Zuflucht in der Bewegung, an diesen besagten Rand vorzudringen – und nach dem zu greifen, was man nicht fassen kann.
Was verbindet den Pfarrer mit dem Dichter?
In meiner Religiosität habe ich es ebenfalls mit Metaphern zu tun, mit Bildern, die für etwas stehen, was nicht im Wortsinn existent ist, und doch da, und erfahren wird. Ein Paradox. Die biblischen Geschichten sind stets auch der Ausdruck für den Versuch, einer Erwartung oder einem Vermissen Gestalt zu geben.