„Klage der Ceres“ sei die Antwort auf Goethes „Alexis und Dora“ gewesen, ein Poem, das als Liebesgedicht an Schiller gelesen wird.
Die Autorin benutzt den Begriff der Erlebnisdichtung wieder völlig unbefangen und kann sich dafür auf Goethes Selbstverständnis als Lyriker berufen. Vor zwanzig Jahren, auf dem Höhepunkt der postrukturalistischen Intertextualitätsdebatte, wäre sie damit auf wenig Verständnis bei den germanistischen Kollegen gestoßen, inzwischen jedoch hat sich die Einstellung zur biografischen Forschung mit ihrer Konturierung von Erlebnishintergründen wieder entspannt. Goethe habe mit seinem Gedicht „Nähe des Geliebten“ Schiller (und keineswegs einer Frau aus seinem Bekanntenkreis) seine Verehrung signalisieren wollen. Da stehen die bekannten Zeilen, die man früher nicht mit Schiller in Verbindung gebracht hat: „Ich bin bei dir; du seist auch noch so ferne,/ Du bist mir nah!“ Nach außen hin hätten die beiden Autoren Distanz gewahrt, sich auch im – für die Nachwelt bestimmten – Briefwechsel zu keinen Gefühlsergüssen hinreißen lassen, doch in der Tarnungssprache der Lyrik sei es ihnen gelungen, verschlüsselte Botschaften der Freundschaft und Liebe zu übermitteln. / Paul Michael Lützeler, Die Welt
Katharina Mommsen: Kein Rettungsmittel als die Liebe. Schillers und Goethes Bündnis im Spiegel ihrer Dichtungen. Wallstein, Göttingen. 379 S., 28 Euro.