Dass er nach dem Gefängnis dieses Buch geschrieben hat, zeigt, dass es die Sprache war, die ihn wieder hat zum Menschen werden lassen. Ganz verlassen hatte sie ihn auch vorher nicht: Im Anhang des Buchs sind 30 „Liebeslieder aus dem Gulag“ abgedruckt, 30 Gedichte, die der Autor im Gefängnis verfasste und nach draußen schmuggeln konnte.
… Liao reflektiert in seinem Buch, in dem er öfters die Gegenwart des Schreibens mit der Vergangenheit des Erlebten parallelisiert, selbst über den Wert des Werkes: „Soll das Leid dieser vielen Jahre vollkommen umsonst gewesen sein? Weil die Suche nach der Wahrheit am Ende nichts anderes ist als eine Materialiensammlung?“, fragt er. Aber was er als bloße Materialiensammlung ansieht, ist viel mehr: In seiner schriftstellerischen Wucht ist dieses Buch Weltliteratur, genauso wie in der tiefen menschlichen Dimension, die es enthält. / Thomas Steiner, Badische Zeitung
Liao Yiwu: Für ein Lied und hundert Lieder. Ein Zeugenbericht aus chinesischen Gefängnissen. Übersetzt von Hans Peter Hoffmann. S. Fischer, Frankfurt 2011. 586 Seiten, 24,95 Euro.