… Memoiren, Menschen, Metamorphosen, Mnemosyne, Monologen (und hätte ich dieses mein Schreiben nicht), Morphemen, Musik (also aus allem beziehe ich meine Sprache, Material aus verschiedenen Quellen, Bild, Gespräche, Musik, überhaupt die Musik, überhaupt habe ich der Musik immer unrecht getan, sie immer ins Unrecht gesetzt oder wie soll ich sagen, vermutlich habe ich die Musik immer nur für meine literarischen Vorhaben ausgebeutet, mein Verhältnis zur Musik st immer parasitär gewesen, überhaupt mein Verhältnis zur Welt, zu den Menschen, also die wankendsten Fundamente einer Gedankenwelt .. mit vielen Federn und Federkielen und wie es mich in halluzinatorische Stimmungen versetzt hat ..)· überschwemmt von Namen, Noten und Notizen · überschwemmt von Okeanos, Orakeln, Originalen, Orten · überschwemmt von Phantasie-Passagen, Pflanzen (die im leichten Wind schwankenden Dolden des Schierlings), Positionen · überschwemmt von Quastenlärm, Quellen, Quintessenzen (»Quer durch den Schlaf / die Buchstabenspur / einer Sprache die / du nicht verstehst« · W. G. Sebald) · überschwemmt von Räumen, Reden, Reisen, (was werde ich mir dorthin alles mitnehmen wenn es ans Ende geht), Reflexen, Reflexionen · überschwemmt von Sätzen, Silben, Sounds, »Spiralen« (Derrida), »spitzennoten ausm äther« (Susanne Eules), Splittern, Stachelhalmwäldern, Steinen (betrachtete die während des Spazierengehens aufgelesenen Steine in meiner Hand), Stimmungen · überschwemmt von Tätowierungen, Täuschungen, Tautropfen, Toden (Am 2. Februar 2012 schneit die Nachricht vom Tod Wisława Szymborskas – »Mir ist die Lächerlichkeit, Gedichte zu schreiben, lieber / als die Lächerlichkeit, keine zu schreiben« – ins Haus, draußen Temperaturen um minus 13°C, hier unten vereisen die Scheiben. Wenn ich über den Tod schreibe, ist das eine positive Beschäftigung. Ich kann mich dann mit der Sprache gegen ihn sträuben. Es ist eine Metamorphose der Angst vor dem Tod. Aber nur für die Zeit, in der ich schreibe. Die Angst kommt immer wieder), Tohuwabohu, Topographien, Tränen, Träumen· überschwemmt von Umlauten und Urlauten (»Wir baun die Welt aus den Unendlichkeiten« · Jakob van Hoddis) · überschwemmt von Vergiszmeinnicht (sehr viele Wörter kommen mir abhanden), Vermutungen, Verzweigungen,Vögelchen (ihr Gesang tröstet mich / diese rasende Poesie, etwas zwitschert beim Tippen), Verben (»Zukunft, / merk dir’s, / gibt es manchmal / nur in den Verben« · Matthias Göritz), Verwunderungen, Verzweiflungen, Vokabeln, Vokalen, Vorspiegelungen, »irrsinnigen Vorstellungen« (Marcel Beyer) · überschwemmt von Wahrnehmungen, warmen Wörtern (»nach welchem wort geht die welt zu ende«, fragt Wolfgang Hilbig), »Wasserschrift / Welle um Welle« (Marie T. Martin), Wiederholungen bestimmter Wörter, Wirbeln, Wolken (»die Wolken hetzen« · Ingrid Fichtner), Wortschätzen (»wortlos ins strudelnde Wasser« · Martin Jankowski), Wünschen (du brauchst einen Baum du brauchst ein Haus / keines für dich allein nur einen Winkel ein Dach / zu sitzen zu denken zu schlafen zu träumen / zu schreiben zu schweigen zu sehen den Freund / die Gestirne das Gras die Blume den Himmel), Wundern, Weh- und Wutgeheul · (…)
/ Theo Breuer: Überschwemmt, die Lust am Taumel • Im atmenden Alphabet für Friederike Mayröcker, Kuno (1/5)