Wie die beiden Jurorinnen des diesjährigen Open Mike Felicitas Hoppe und Kathrin Schmidt dem Wettbewerb publizistisch hinterher treten, ist schon interessant. Erst Felicitas Hoppe, die den zur Preisverleihung anwesenden Journalisten im Grunde folgendes einigermaßen wirre Fazit in die Blöcke diktierte „Handwerklich solide, publikumswirksam vorgetragen, aber alles viel zu solide zu publikumswirksam vorgetragen. Weil uns das sehr verstört hat, haben wir die solidesten und publikumswirksamsten ausgezeichnet“ . Nun gesellt sich Kathrin Schmidt hinzu, die in einem Beitrag auf fabmuc unfertigen Poetiken und schlecht vorgetragenen Lyriklesungen hinterhertrauert. (Sorry für die polemische Reduktion, aber wie soll man das im Kontext sonst verstehen?) „Man ist ja schon froh, wenn einer sich in der Bescheidenheit übt, einfach seine Arbeit vorstellen zu wollen.“
Was Hoppe wie auch Schmidt da machen, ist relativ problematisch. Die Vortragsweise – an der nun wirklich nichts aber auch gar nichts auszusetzen war – wird perfide gegen die Autoren verwendet. Das klingt für mich schon eher nach Generationenkonflikt und eigener Verunsicherung denn nach echter Auseinandersetzung mit dem, was da kam. Im Grunde sagten beide Jurorinnen (insbesondere zum Großteil der Lyrik): ich kann damit nichts anfangen. Weil das aber den eigenen Standpunkt in Frage stellt, muss das, womit man nichts anfangen kann, geschwindelt sein. Deswegen benutze ich das an sich überzogene Wort „perfide“, denn ehrlich gesagt glaube ich, haben sich beide Jurorinnen die Motivation ihrer Äußerungen nicht eingestanden. „Perfide“ ist also nicht so gemeint, dass ich einen Vorsatz erkenne, sondern auf die Auswirkung der Aussagen bezogen.
Der Vorwurf, hier würde eine Vortragskunst mangelnde Qualität zukleistern, den man ja vertreten kann, wenn man die vorgestellte Lyrik nicht mag, wird leider in einen grundsätzlichen Professionalisierungsvorwurf (ist das wirklich ernst gemeint?) verkleidet.
Und ausgezeichnet wurde in der Prosa dann doch ausgerechnet eine Autorin, die eine brillante Inszenierung ihres Textes geradezu verkörperte. Es war eine schiere Freude der Gewinnern Christina Böhm zu lauschen. (So schädlich scheint professionelles Schreiben und Lesen also doch nicht zu sein… was denn nun?)
Bei der Lyrik hat man sich ebenfalls exzellent entschieden. Aber! man hätte durchaus zahlreiche sehr weltgewandte Lyriker zur Verfügung gehabt, die nicht dem anderen Vorwurf gegen die Beiträger entsprochen hätten, sie schrieben privat, zu selbstbezogen oder wie an anderer Stelle gern vorgetragen zu „mild“. Bei aller Wertschätzung für Sebastian Unger, seine Gedichte sind großartig, er ist zurecht ausgezeichnet worden. Allerdings macht die Auszeichnung unter den Vorzeichen solcher Vorwürfe wenig Sinn. Seine Gedichte waren nun gerade eben dies, die Verarbeitung relativ zeitlosen individuellen Leids. Aber dafür dann demütig genug vorgetragen? Will Kathrin Schmidt die Auszeichnung im Nachhinein so begründen? Eine Frechheit gegenüber dem Ausgezeichneten wie gegenüber jenen, die nicht ausgezeichnet wurden.
Mir haben alle ausgezeichneten Texte selbst ausnehmend gut gefallen, ich kritisiere nicht die Preisträger, sondern den Stil der Jury. (An dieser Stelle sei auch angemerkt, dass luxbooks dieses Jahr die Vorauswahl der Lyrikbeiträger vorgenommen hat, dass wir große Freude dabei hatten und es mit durchweg exzellenten, spannenden Lyrikern zu tun hatten, dass ich auch deswegen das Gefühl habe, hier widersprechen zu müssen.)
Felicitas Hoppe hat aus ihrer Rede „an die Autoren“ einen Nachsatz gegen die Autoren des Wettbewerbs gemacht. Damit hat sie dem Preis und den von ihr Ausgezeichneten (man betrachte die Nachberichterstattung, alle machen aus der Bemerkung Hoppes das Grundfazit) mutmaßlich unwillentlich arg geschadet. Dass Kathrin Schmidt dies nun fortführt, stimmt nachdenklich.
Was mich besonders ärgert, ist eigentlich dass der Professionalisierungs-/Handwerklichkeitsvorwurf für nicht Dabeigewesene also für alle, die über den Open Mike in den Medien lesen, die Assoziation „zu glatt“ und „langweilig“ erzeugen muss. (Gemeint war ja eigentlich das Gegenteil, zu sehr auf Marktgängigkeit schielend). Dabei war die Prosa keineswegs immer handwerklich solide, sondern teilweise katastrophal schlecht. Die Lyrik hingegen war alles andere als „glatt“ oder langweilig, sie war kantig, vielseitig, gesellschaftsbezogen und lustvoll vorgetragen. Sie war auch keineswegs privatistisch/irgendwie befindlich wie es an anderer Stelle über die diesjährigen Beiträger hieß. Das konnte man für einen Großteil der Prosa durchaus sagen, wobei das aus meiner Sicht eher Feststellung denn Vorwurf ist. Warum sollen sich Autoren nicht mit sich selbst befassen? Was ist das bitte für ein literarischer Maßsstab? Es ist schlicht Ausdruck eines eigenen Lektürewunsches, also vom Kritiker selbst recht privatistisch gedacht.
Ich empfinde beide Äußerungen als verdammt schlechten Stil. Man stellt sich als Juror eines Wettbewerbs doch nicht hinterher hin und wirft allen Teilnehmern und damit auch den Ausgezeichneten und damit der eigenen Arbeit Dreck hinterher. Dann vergibt man konsequenter Weise keinen Preis. Die Jury will hier gleichzeitig die feuilletonistische Arbeit übernehmen. Dass dann im Nachhinein auch noch ein einzelner Autor von Kathrin Schmidt herausgepickt und ziemlich hässlich angegangen wird, finde ich eine ziemlich leichtfertige Frechheit.
Christian Lux
luxbooks