78. Mollnitziade

Unter dem Namen Martin Mollnitz veröffentlichten die Zeitung Freitag und die Greifswalder Wasser-Prawda vor einigen Wochen ein Pamphlet angeblich über die junge Lyrik, die saft- und kraftlose Selbstbespiegelung sei im Unterschied zu den kraftvollen Versen des Herrn Mollnitz.

Der sprach zwar nicht wirklich von der jungen Lyrik der Gegenwart, er zitierte weder kook-, lux-, roughbooks noch Frank, Poetenladen, Fixpoetry, Schöffling, Rugerup, Distillery und wie die in der Szene klangvollen Namen heißen, sondern nur lokale Literaturblogs und einzig den Namen Thomas Kunst, der in einer Fassung des Pamphlets als “Multipreisträger” vorgestellt wurde. Aber kann man von der Redaktion des geschätzten Freitag verlangen, daß sie den Unterschied bemerken? Offensichtlich nicht.

Von Mollnitz hieß es, er hätte eine DDR-Jugend mit ersten erfolgreichen Publikationen. Die Wasser-Prawda veröffentlichte ein paar Gedichte. Die Gedichte verwiesen auf eine Sprache, wie sie in den 80er Jahren in Leipzig und anderswo außerhalb der Undergroundszene gepflegt wurde, ich nenne sie mal FDJ-Fraktion der sächsischen Dichterschule. Da ich mich in den damaligen Szenen recht gut auskenne, war mir sofort klar, daß es sich entweder um eine Mystifikation oder ein Pseudonym handeln muß.

Inzwischen kenne ich den wirklichen Namen von Herrn Mollnitz. Vor einigen Tagen schickte er mir innerhalb weniger als 20 Stunden eMails mit 3 verschiedenen Namen: erst als Johannes Erichson (unter diesem Namen als angeblich Berliner Lehrer erbat er von mir Informationen über Herrn Mollnitz, dessen kraftvolle Gedichte er an seinen Schülern erfolgreich erprobt habe), dann als Mollnitz selber und schließlich als Heino Bosselmann. Letzterer Name ist der einzige, den ich aus meinem Archiv kenne – ein 1964 geborener Lyriker dieses Namens veröffentlichte u.a. ein paar Texte in der FDJ-Zeitschrift Temperamente.

Heute veröffentlicht der Freitag einen Remix der Debatte von neulich, der zwar diese kritisch werten will, sie in Wirklichkeit aber nur prolongiert. Ein unwürdiger Anlaß für fortgesetzte Pseudodebatte.

Zumindest mit seinem richtigen Namen soll man ihn künftig ansprechen. (Allerdings wird man bemerken, daß er unter diesem richtigen oder soll man sagen Klar-Namen außer paar frühen Veröffentlichungen weder Lyrik noch Aufsätze über Lyrik publiziert, sondern ausschließlich politische rechtspopulistische Kommentare an Orten, mit denen der Freitag gemeinhin nix am Hut hat.)

P.S. Daß es sich um ein Pseudonym handelt, konnte man am 5.6. in der Lyrikzeitung lesen.



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