Am Ursprung der Kling’schen Autorschaft steht, so will es die biographische Legende (1), zunächst nicht der schreibende Autor, sondern der Leser. Prägnant formuliert hat Kling diese Herkunft aus der Lektüre – und damit, wie zu sehen sein wird, aus der großväterlichen Bibliothek – in einem meines Wissens bisher unpublizierten poetologischen Kurzessay; weitere Formulierungen gingen voran und folgten. Zum Einstieg bietet sich die unpublizierte Version der Legende an.
1)
Als ›biographische Legende‹ sei hier und im Folgenden eine spezifische Praxis der Autorinszenierung verstanden (zu Autorinszenierungen vgl. zuletzt Christoph Jürgensen / Gerhard Kaiser (Hg.): Schriftstellerischer Inszenierungspraktiken – Geschichte und Typologie. Heidelberg 2011), die als Selbstzuschreibung von Biographemen durch den Autor bestimmt werden kann. Der Begriff geht zurück auf Boris Tomaševskij, der bemerkt, das Dichter ihren Werken »ideale biographische Legenden [vorausschicken]«; diese stellen »die literarische Konzeption des Lebens des Dichters dar, eine Konzeption, die notwendig ist als wahrnehmbarer Hintergrund des literarischen Werks« (Boris Tomaševskij: Literatur und Biographie. In: Texte zur Theorie der Autorschaft. Hg. und kommentiert von Fotis Jannidis u.a. Stuttgart 2000, S. 49‐61, hier: S. 57). Im Zusammenspiel mit anderen Selbst‐ und Fremdinszenierungen konstituieren biographische Legenden das, was man mit Ludwig Fischer ›Autorfigur‹ nennen kann (Ludwig Fischer: Der fliegende Robert. Zu Hans Magnus Enzensbergers Ambitionen und Kapriolen. In: Christine Künzel / Jörg Schönert (Hg.): Autorinszenierungen. Autorschaft und literarisches Werk im Kontext der Medien. Würzburg 2007, S. 145‐175, insbes. die theoretischen Reflexionen S. 147ff.).
Aus: Trilcke, Peer: Historisches Rauschen. Das geschichtslyrische Werk Thomas Klings
The Historical Poetry of Thomas Kling
Dissertation (PDF, 4.817 KB) |