Und wenn dann ein Rühm in Warschau staunt, dass ein Miron Białoszewski dort wirken darf (nicht kann, sondern darf), dann ist das ein Fingerzeig. In einem kleinen Nachwort in diesem Auswahlbändchen erzählt er davon. 1961 kam von Miron Białoszewski noch “Mylne wzruszenia” („Irrige Rührungen“, 1961), und das war’s dann im Wesentlichen auch. Dann verlor auch Polen diesen leichten Atem der Freiheit. Und als Białoszewski 1983 starb, war er selbst eigentlich schon Legende. Auch wenn seine Gedichte bis heute in Polen beliebt sind.
Eine Schwierigkeit für den Ruhm außerhalb der Landesgrenzen spricht Rühm an: die Sprachbarriere. Die in Deutschland in Bezug auf Polen auch immer mit einer Aufmerksamkeitsbarriere verbunden war. Während der westliche Buchmarkt sich am anglo-amerikanischen orientierte und dem Osten zumeist eher ein Achselzucken gönnte, feierte man in der DDR zwar gern Völkerfreundschaft, doch was da in Polen gedruckt wurde, war den Wärtern des richtigen Weges zumeist viel zu suspekt. …
Dass Białoszewski jetzt mit diesem kleinen Auswahlbändchen spät dennoch ankommt hierzulande, ist der Wrocławer Dichterin und Übersetzerin Dagmara Kraus zu verdanken. Und wer mit dem Ende des Büchleins beginnt, bekommt so eine Ahnung, wie komplex hier die Arbeit des Übersetzens war. Zu drei Gedichten von Miron Białoszewski hat Bertram Reinecke nämlich ein paar junge deutsche Lyriker gebeten, eine Nachdichtung zu versuchen. Einige hat er auch selbst probiert. Die Titel der Gedichte kann man gar nicht herschreiben – außer auf polnisch. Denn das Spiel mit den Worten, ihren Anklängen, Verwandlungsmöglichkeiten beginnt Miron Białoszewski schon im Titel. Die Worte werden vieldeutig, beginnen sich, kaum dass man sie gefasst zu haben scheint, zu verwandeln. / Ralf Julke, Leipziger Internet Zeitung
Miron Białoszewski “Wir Seesterne” Herausgegeben und übersetzt von Dagmara Kraus mit einer Erinnerung von Gerhard Rühm und Nachdichtungen von Kenah Cusanit, Norbert Lange, Kerstin Preiwuß, Bertram Reinecke, Monika Rinck, Schuldt und Ulf Stolterfoht
Reinecke & Voß 2012
19cm x 12cm, 120 Seiten, 12 Euro
ISBN 978-3-942901-03-1
Bestellen unter : info[at]reinecke-voss.de