Die sowjetischen Kulturfunktionäre in Moskau, der Doktrin des „Sozialistischen Realismus“ folgend, verschmähten seine Musik und bezeichneten sie als „westlichen Formalismus“ und „volksfeindlich“. Aus dem sowjetischen Komponistenverband ausgeschlossen, musste der gescheiterte Komponist fortan vom Instrumentieren von Filmmusiken und privater Unterrichtstätigkeit leben. Herschkowitz lehrte in seiner Moskauer Wohnung namhafte sowjetische Komponisten wie Alfred Schnittke, Boris Tischtschenko und Sofia Gubaidulina die Zwölftontechnik Schönbergs und trug dabei entscheidend zur Verbreitung dieser, in der Sowjetunion verbotenen Musik bei.
Die einzige Aufführung seiner Kompositionen im Moskauer Exil fand 1960 statt und präsentierte zwei Liederzyklen nach Gedichten von Paul Celan und Ion Barbu. Stark an dem Gehalt der Gedichte orientiert, ist die Klavierbegleitung in diesen Liedern kein gewohnt fließendes Akkordband, sondern es ertönen punktuelle Klangereignisse, die auf Augenhöhe mit dem Ausdruck des Gesangs stehen.
Die Bandbreite der angewandten vokalen Techniken erstreckt sich vom Flüstern über den Schönbergschen Sprechgesang bis zu nahezu ariosen Passagen. Zu den expressionistischen Gedichten Paul Celans passt die Ästhetik Herschkowitz’ glänzend. Vielleicht weil sich ihre Biografien in vielem ähneln.
Doch bei der Liedvertonung des romantischen Liebesgedichts von Heinrich Heine „Wie des Mondes Abbild zittert“ wirken die Klänge im Gegensatz zur verliebt-schwärmerischen Poesie erschreckend kalt. Kaum eine Konsonanz ist in dem Zusammenspiel von Klavier und Gesang zu hören. Sind es nur unsere ungeübten Ohren, die sich nach ein paar Wohlklängen sehnen, oder hat der Komponist bewusst auf die Ästhetik des Schönen verzichtet? Ganz im Sinne Adornos, der meinte: „Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben ist barbarisch.“ Auf die Musik bezogen, hätte Adorno auch gut sagen können: „Nach Auschwitz noch eine Konsonanz zu komponieren, ist barbarisch.“ Vielleicht war der tragischen Figur des Herschkowitz nicht nach Melodien zum Mitpfeifen und Harmonien zum wohligen Einschlummern. …
Seine Frau kümmerte sich nach seinem Ableben um die Herausgabe seiner musiktheoretischen Schriften. Die Musik Herschkowitz´ aber ist bis heute nicht verlegt worden. / Margarete Buch, Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien 19.5.
Vgl. auch hier: Dmitri Schostakowitsch und die sowjetische Musik der 1920er Jahre, NZZ 19.5.