Die schnell aufsteigende Hitze, die unglaubliche Landschaft der Radstrecke und das Wüstenklima auf der Laufstrecke ließen die 70.3 Challenge Fuerteventura zu etwas ganz Besonderem werden. Los ging es natürlich mit dem Schwimmen! Eine plötzlich veränderte Schwimmstrecke bei diesem Triathlon und eine kräftezehrende Strömung sorgten bei mir für etwas mehr Aufregung vor dem Start als sonst. Aber letztlich war es halb so schlimm, wenngleich natürlich die Wellen und die Strömung der nahenden Flut für eine anspruchsvolle erste Disziplin sorgten.
Nachdem ich an den Tagen zuvor noch gut trainiert, aber auch entspannt, meine Startunterlagen abgeholt und die Wechselzone eingerichtet habe (mehr dazu könnt ihr in Teil I nachlesen), wartete nun ein wunderbarer Morgen. Aber obwohl es recht mild war, fröstelte es mich ein wenig. Es war dunkel und der Kopf beharrte darauf, dass es deutlich zu kühl war, um nicht umgehend zurück ins Bett zu wollen. Kein Wunder, wenn der Wecker nicht einmal eine fünf vorne zeigt. Ich löffelte meinen Haferbrei. Rührte meinen Matcha an. Kontrollierte ein letztes Mal, ob auch wirklich nichts fehlte. Vor allem nicht der Neo! Den soll ja schon einmal der ein oder andere irgendwie liegen gelassen haben, um ihn dann von zu Haus mit einer rasanten Autofahrt durch die Stadt abzuholen… Aber meine größte Sorge gilt immer dem Zeitmesschip. Mit dem würde ich ja am liebsten schon Tage vorher am Bein herumlaufen, damit der bloß nicht irgendwo liegen bleibt. Ich griff alles, was mit sollte und schlich die Hotelflure entlang. Immer noch dunkel und niemand sonst unterwegs. Auch nicht der einzige Triathlet, der mit mir im gleichen Hotel Urlaub machte. Es muss so irritierend ausgesehen haben, wie ich mit Sack und Pack aus dem Hotel schlich, dass einer der Bediensteten tatsächlich dachte, ich würde türmen wollen. Keine falsche Idee, aber Auschecken wollte ich nun wirklich nicht. Ich wollte einfach nur früh den Tag starten. Er sprach so wenig Deutsch wie ich Spanisch und Englisch wollte er auch nicht so recht verstehen. Er möchte die Kreditkarte, Zimmernummer und und und… Irgendwann wurde es mir zu bunt. Ich ging kommentarlos; hatte ja schließlich noch andere Sachen vor.
Die zwanzigminütige Autofahrt war recht entspannend und langsam aber sicher begann die Sonne sich hinter den Bergen bemerkbar zu machen. Mein Rad hing immer noch im leichten Morgenwind vor sich hin, als ich mich auf den Weg in die Wechselzone machte. Ein letzter Blick in meine Beutel, ob auch ja tatsächlich alles drin war. Anschließend die Trinkflaschen halb schlaftrunken befüllen und Riegel und Gele in das kleine Provianttäschchen quetschen. Ich war schließlich auf einen halben Tagesausflug eingestellt. Mitten in den Bergen mit nur fünf Verpflegungsstationen muss man gut ausgestattet sein. Ich knabberte immer wieder parallel an meinem Riegel herum und trank noch den ein oder anderen Schluck Tee.
Alle Bilder könnt ihr zur Vergrößerung anklicken.
Während sich einige Athleten bereits in der Wechselzone umzogen, konnte ich mich nicht so recht mit meinem kalten Neoprenanzug anfreunden. Ich beschloss erst einmal dem roten Teppich zu folgen und mir den Atlantik genau zu betrachten. Noch versperrten Wolken den Blick zum hellblauen Himmel, was sich aber schnell ändern sollte. Deshalb war die erste Schicht Sonnencreme schon aufgetragen. So wie meine Startnummer am Arm, die es genau für eine Disziplin an mir aushielt. Ausgerechnet bei der Disziplin bei der man sie sowieso nicht sieht, weil die zweite Haut alles verdeckt. In der kleinen Bucht von Las Playitas war es etwas geschützt, aber direkt am Wasser wehte er. Natürlich. Wind. Mehr Wind. Wind vom Meer. Wind vom Land. Höchste Zeit, den Neo überzustreifen, den Wechselbeutel abzugeben, zwei Badekappen aufzusetzen, die Schwimmbrille zu platzieren und sich zu erwärmen.
Es war kalt. Einfach zum ins Bett flüchten. Aber je näher ich dem Atlantik kam, je weiter zogen sich die Wolken zurück und gaben mehr und mehr die Sonne hinter den Bergen preis. Die Wellen schienen derweil miteinander zu spielen. Von Land aus sah alles gar nicht so gewaltig aus. Nur das Rauschen, das hin und wieder unter dem Gemurmel der verschlafenen und aufgeregten Teilnehmer hindurch brach, ließ vermuten, dass zumindest der Wassereinstieg interessant werden könnte. Während Cheerleader mit Sprechchören die Zuschauer aufweckten, musste ich mich Einschwimmen. Das erste Zusammentreffen von mir und dem Atlantik erfolgte zaghaft. Nur noch wenige Minuten bis zum Start. Ich musste tatsächlich rein. Keine Widerrede. Im Wasser merkte ich recht schnell wie die Wellen gleichzeitig an mir zogen und schoben, sich gegenseitig antrieben und gegeneinander klatschten, wenn sie plötzlich die Richtung wechselten.
Eine Stimme aus den Lautsprechern ließ uns Athleten wissen, dass es Zeit wird, wieder herauszukommen und sich in seinen Startblock einzuordnen. Es war kurz vor acht. Der Startschuss sollte gleich fallen! Meine Füße gruben sich immer tiefer in die schwarzen Steinchen am Strand. Da stand ich nun inmitten der Athleten. Die Wellen schlugen im Sekundentakt am Strand auf, zogen Steine mit sich und spuckten sie wieder aus. Ich musste nun dort hinein. Von Land aus sieht alles so ruhig aus. Als würde sich der Ozean nur sachte bewegen. Die ruhige See an der Costa Calma war kein Vergleich zu der Brandung, die auf mich wartete. Sie erinnert mich eher an die Westküste, wo ich Jahr für Jahr versuchte ein Weilchen länger auf dem Surfbrett zu stehen. Zwar waren die Wellen im Vergleich dazu winzig, aber die Flut und die Strömung zu merken. Mir würde es ganz sicher ähnlich ergehen wie den Steinchen. Ich werde sicher von den Wellen hin und her geschubst. Aber eigentlich machte ich mir recht wenig Sorgen. Ich war satt genug, um es bis auf das Rad zu schaffen. Sah die Sonne langsam höher steigen und freut mich trotz der Nervosität sehr auf den Tag. Beim Schwimmen würde ich einfach so dicht es geht an einer Gruppe dran bleiben und mich aus dem Gewühl heraushalten.
Als der Startschuss fällt, ist in Sekunden die erste Männergruppe im Wasser verschwunden, bevor wir Frauen mit den Senioren folgten. Die Kurzdistanz des ‘Spring Triathlons‘ wurde mit uns Mitteldistanz-Startern gemeinsam auf die Strecke geschickt. Vermutlich, weil wir 200 Starter sonst ganz verloren ausgesehen hätten. Ein tolles kleines Feld, in dem es kaum zu Rangeleien kam. Am Anfang war es natürlich schon etwas Turbulent, was aber nicht an den Teilnehmern lag, als viel mehr an den Wellen, die an die Küste drängten, während wir versuchen hinaus auf die See zu kommen. Durch die Athleten aber auch durch die Wellen war der schwarze Sand im Wasser aufgewirbelt. Die Sonne brachte das graue Meer zum Flimmern. Überall Glitzer. Die ersten Züge waren so ungewöhnlich, wie es nur sein kann. Unter mir konnte ich nichts sehen als Silber und Schwarz. Meine eisigen Hände funkelten genauso wie mein schwarzer Anzug und das Wasser.
Wellental vor dem Mund zum Atmen? Also ich fand meins erst einmal nicht. Zumindest brauchte ich mir keine Gedanken darüber zu machen, bei der ersten Disziplin zu sehr zu schwitzen und zu wenig Salz aufzunehmen. Meine Ration bis zum Mittag hatte ich ruck zuck intus. Zum Glück war es nicht all zu ungewohnt. Mit dem ein oder anderen Abflug beim Surfen ins Wasser wusste ich wie salzig es ist. Die Tage vorher hatte ich mit den Trainingseinheiten auch schon genügend Erfahrung damit, was es heißt, wenn das Salz an den Kanten des Neoprenanzugs am Hals kratzt. Ich hatte für alles einigermaßen vorgesorgt und konnte nun einfach nur schwimmen.
Immer den Wolken am Horizont hinterher bis zur ersten Boje, die uns den Weg parallel zum Strand bis zur nächsten weist. Bis dahin war es etwas rauer. Immer wenn ich nach vorn schaute, um mich zu orientieren sprangen mir die Wellen ins Gesicht. Im Neoprenanzug ist es zum Glück ein wenig so, als hätte man sich ein Surfbrett oder einen Schwimmring umgeschnallt. Irgendwie schwimmt man selbst mit der leichtesten Bewegung immer oben. Bei ordentlich Wellengang und Strömung eine massive Erleichterung. Weiter draußen wurde es zum Glück etwas ruhiger und dort war es wirklich am schönsten. Wir ließen die Wolken an unserer rechten Seite liegen und kamen der Sonne immer näher. Die Orientierung mit dem Strand und der Hotelanlage zur Linken fiel auch recht leicht. Vor uns und hinter uns begannen die rotbraunen Berge erste Schatten zu werfen. Um so näher wir der zweiten Boje kamen, desto dunkler wurde es unter uns. Das Wasser wurde flacher und kontrastreicher, so dass man wieder genau sehen konnte, was unter einem geschah. Es tauchten Felsen auf. Unheimlich. Fische haben wir zu dieser frühen Stunde erfolgreich mit dem Geplansche verscheucht. Auch Quallen waren keine zu sehen, vor denen noch an der Promenade gewarnt wurde.
Wir kamen den Felsen und der Stadtmauer verdächtig nahe. Hier und da ein Fischer, der sein Glück versuchte. Sie wussten vermutlich nichts von dieser morgendlichen Aktion… Aber es warteten auch einige Zuschauer. Verhaltener aber dennoch hörbarer Jubel. Die Athletinnen des Frühlingstriathlons mussten sich erst einmal mit ihnen austauschen und schnatterten fröhlich vor sich. Von dort aus war es gar nicht weit bis zur dritten Boje und dem Strand. Geradewegs sollte es zur vierten gehen. Aber ich hatte immer wieder das Gefühl, dass die Wellen schon den Strand spüren konnten und uns unbedingt dort hinschicken wollten. Immer wieder korrigierte ich nach links und schaute nach vorn zur Boje, um nicht all zu weit abzutreiben. Leiser Jubel war zu hören. Das konnte nur eins heißen. Die zweite Runde bricht gleich an. Erneut klatschen mir die Wellen ins Gesicht. Die Strömung war mit den Rundkurs aber ziemlich gerecht verteilt. Zwar waren die Mondkonstellation im Zusammenspiel mit der Flut und der Strömung, die stärker als sonst zu dieser Jahreszeit an der Ostküste der Insel war, ungewöhnlich, aber deshalb waren wir auch nicht ganz weit draußen unterwegs. Natürlich kostete es besonders in der zweiten Runde Kraft, sich wieder von der Nähe zum Strand gut 250 Meter, raus auf den offenen Atlantik zu bewegen. Wieder entlang der Außenkante der abgesteckten Strecke, wo man kaum mehr etwas sah. Die Sonne stieg höher und höher und brachte das Wasser zum Flackern. Mittlerweile spürte ich den Wellengang ganz deutlich in der Magengegend. Es ging gefühlt wirklich richtig auf und ab. Es wurde Zeit, endlich wieder Land unter den Füßen zu spüren. Vom Schatten der Felsen folgte die längste Strecke immer am Strand entlang. Der Ausstieg wäre so nah, aber wir mussten bis zur letzten Boje zurück.
Mit den kalten Füßen fiel die Balance im Wasser auf den Steinen wirklich schwer. Als wäre es nach 1900m nicht schon anstrengend genug, überhaupt wieder zu stehen und zu gehen. Kaum, dass ich stand, versanken die Füße im Steinstrand. Unter ihnen zogen die Wellen die Steine weg. Über ihnen rollten die Steine hinüber. Dann endlich der komplett verrutsche, rote Teppich, den ein Helfer aussichtslos versucht gerade zu rücken. Dann die Gummimatte für die Zeitmessung. Zack. Schwimmen vorbei! Nach 42 Minuten konnte ich den Atlantik verlassen und hinter mir lassen. Eine wirklich tolle Zeit; eine, die ich in den vergangenen beiden Jahren immer über 1,9km erreichte. Wirklich zufrieden war ich aber nicht mit der Zeit, sondern eher mit dem Gefühl, dass ich anschließend hatte. Nun war ich noch nicht im Ziel, aber ich freute mich einfach, wie gut ich mich fühlte.
Wechselzeiten gab es leider nicht. Alles, wirklich alles, wurde auf die Radzeit gerechnet. Da ich nun mit dem Rad auf diesem Profil nicht auf Rekordjagd war, gab es auch nichts zu überstürzen. Ich trödelte nicht. Natürlich. Also flitzte ich die Promenade entlang, nahm mir aber die Zeit, um das Salzwasser unter der Dusche loszuwerden. Schließlich wollte ich nicht komplett wie ein geröstetes Hühnchen mittags vom Rad steigen. Der anschließende Weg durch die halbe Hotelanlage mit kleinen Rampen zog sich ewig hin. Genügend Zeit, um sich von der Sonne wärmen zu lassen und alles durchzugehen, was nun folgen würde. Es ging auf den blauen Teppich, der den Wechselbereich ankündigte. Der Wind wehte die Wasserkanister des ersten kleinen Verpflegungspunktes über die Straße. Es hieß immer wieder Augen auf! Ein Schluck Wasser war nach dem Wellengang nicht nötig. Ich freute mich auf meinen Tee.
Im kleinen Wechselzelt hatte jeder die Ruhe weg. Da wird sich abgetrocknet. Hingesetzt. In Tütchen gekramt. Ich war kurzeitig etwas – wie soll ich sagen – in Aufregung. Trotz des langen Weges, ging es im Kopf nur so: wie, wo, was, Radschuhe, Beutel hier, Beutel da, Helm, Startnummerband… und wo bitte ist die Sonnencreme Station? Hat nicht jeder große Triathlon eine? Logisch, ich habe alles mit. Ich lasse mich von den erstaunten Blicken nicht irritieren. Auf die Schultern und wo immer es geht, gehört eine große Portion Creme. Natürlich habe ich auch etwas für das Gesicht und die Lippen. Bevor also alles angelegt und angezogen wird, hantiere ich mit Cremes und einem Handtuch, um das schmierige Gefühl von den Händen weg zu bekommen. Dann erst kommen die Strümpfe, die Schuhe, die Startnummer, der Helm und die Sonnenbrille dran. Was sich jetzt hier so langatmig anhört, verfliegt in Sekunden und ist schneller vorbei, als ich den Weg vom Wasser hinauf mehrere hundert Meter ins Zelt zurückgelegt habe. Jetzt kann es losgehen. Jetzt folgt die größte Herausforderung des Tages. Las Hermosas! Dieser unglaubliche Anstieg, an dem ich mein Triathlonrad im Training schieben und wirklich gern vom Berg schubsen wollte!
Wie ich die 1300 Höhenmeter und 90 Kilometer hinter mir gelassen habe und viel wichtiger, ob ich den richtigen Weg nach etwas Verwirrung an Weggabelungen im Niemandsland doch noch gefunden habe, folgt im dritten Beitrag zur 70.3 Challenge Fuerteventura 2014.
.
PS: Gerade bei der aufsteigenden Sonne, ist eine Schwimmbrille, die sich leicht abdunkelt, perfekt. Deshalb fiel die Wahl an diesem Morgen auch wieder auf die Zoggs Predator, die mich zusammen mit meinem 2XU Neoprenanzug & Tri Suit und der TomTom Multisport super über die Schwimmstrecke brachte.
Mehr Wettkampfberichte und viele Highlights aus den vergangenen Jahren findet ihr unter Die Schönsten Geschichten.
..