70. Die Blandiana

Von Lnpoe

Der Name der Dichterin Ana Blandiana ist in allen Schichten des Volkes, dem sie angehört, bekannter als der Name jedes deutschen Schriftstellers der Gegenwart bei den Deutschen. Das hängt nicht nur mit der öffentlichen Präsenz von Ana Blandiana seit über einem halben Jahrhundert zusammen, sondern mehr noch damit, dass ihre Gefühle der Ablehnung des Sozialismus der Jahre 1945-1989/90 von der überwiegenden Mehrheit der Rumänen geteilt wurden. Als 1959 ihr Gedicht „Originalitate“ erschien und den massiven Unwillen der KPR erregte, wurde sie mit landesweit diskutiertem Schreibverbot belegt und so, wie sie später notierte, „als verbotene Dichterin bekannt, noch ehe ich es als Dichterin war“. Zwischen den Zeilen hatte sie mitten im Terror der stalinistischen Gheorghiu-Dej-Ära nicht Regimekritik geübt, sondern, weitaus gewagter, ihrem Widerwillen gegen das System Ausdruck verliehen – ein Akt der Courage, dessen Ausmaß sich heute keiner mehr vorstellen kann. …

In ihren Lyrik- und Prosatexten taucht immer wieder die Metpaher der Ablehnung auf, von einem Volk mit Spürsinn für die literarische Nuance und für das Raffinement der getarnten Attacke sehr wohl verstanden – und goutiert. Wenn „die Blandiana“ im Gedicht „Dies irae, dies illa“ („Dies ist der Tag des Zorns“) den Vers schreibt: „… zweifelt nicht,/ der Tag wird kommen/ gleißend wie eine Degenklinge,/ die im Licht erzittert“, oder das Gedicht „Namenlos“ mit den Zeilen beginnt: „Ununterbrochen reden wir von ihm,/ so wie du unentwegt/ mit der Zunge den schmerzenden Zahn berührst“, und dann fortfährt: „Ein Festtag, wenn wir ihn vergessen,/ ein Fluch das Leiden seiner Nennung“, dann verstand jeder in dem mit Kerkern übersäten Land, was und wer gemeint war – und was Blandiana dabei riskierte. / Hans Bergel, Siebenbürgische Zeitung

  • Kopie eines Alptraums, Erzählungen. Volk und Welt, Spektrum, Berlin, 1988
  • Presentation/ Vorwort/ Prezentare, editie trilingva, DAAD (Deutscher Akademischer Austauschdienst/ Office Allemand d’échanges universitaires), Paris, 1993 (deutsch, französisch, rumänisch)
  • Die Applausmaschine, Steidl Verlag, Göttingen, 1993
  • Engelernte, Ammann Verlag, Zürich, 1994
  • Kopie eines Alptraums, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, 1996
  • Sternenherbst, Dionysos, Aus dem Rumänischen von Christian W. Schenk, 1999 (rumänisch-deutsch)
  • Die Versteigerung der Ideen. Gedichte von Ana Blandiana. Auswahl, Übersetzung aus dem Rumänischen und Nachwort von Hans Bergel; 138 Seiten. Johannis Reeg Verlag, Bamberg 2009. ISBN 978-3-937320-16-8.