Psychische Erkrankungen scheinen der neue Trend zu sein. In Deutschland erleiden jährlich ungefähr 30 Prozent aller erwachsenen Menschen eine psychische Störung. Die meisten leiden an Angststörungen und psychosomatischen Symptomen. In vielen Fällen wird eine Erkrankung zu spät oder gar nicht diagnostiziert. In derartigen Fällen kann eine psychische Störung schnell chronisch werden. Eine zunehmend verbreitete Art dieser Krankheit ist übrigens die Phobie, an einer psychischen Krankheit zu leiden. Man merkt schon, dass dieses Thema ein enormes Potential für Sarkasmus und Zynismus birgt. Vielleicht widmet sich der „Brügge sehen...und sterben“ - Regisseur Martin McDonagh deshalb einer Gruppe Menschen, die unter besonders ausgeprägten Formen, psychischer Störungen zu leiden scheinen.
Marty ist Drehbuchautor in Hollywood und weit entfernt von einem großen Karrieresprung. Trotz seines Talents, ist er abgestürzt. Das liegt wohl daran, dass er nicht in der Lage zu sein scheint, sein Leben zu organisieren. Sein Achtungserfolg liegt schon viel zu lange zurück und er hat schlicht versäumt, schnell nach zu legen. Und jetzt, als es fast zu spät zu sein scheint, leidet er unter einer Schreibblockade. An dieser Stelle kann man schon schmunzeln, denn ein Blick in die Biographie McDonaghs zeigt, dass er bis vor kurzem noch ganz ähnliche Probleme hatte. Im Film jedenfalls hat sich Marty's Kumpel Billy entschlossen, dem glücklosen Autor zu helfen. Billy verdingt sich als Kleinkrimineller. Mit seinem Freund Hans hat er eine ganz besondere Geschäftsidee entwickelt. Billy entführt Hunde und behält sie eine Weile bei sich. Wenn die Besitzer – der Verzweiflung nahe – bereit sind, dem hilfsbereiten Samariter großzügig zu belohnen, der ihren Liebling zurück bringt, betritt der nette alte Mann Hans die Bühne und spielt den großen Retter.
Eines Tages erwischt Billy den falschen Hund und entführt den Shih Tzu des Gangsterbosses Charlie Costello. Der versteht keinen Spaß und geht auf einen blutigen Rachefeldzug auf der Suche nach den Entführern. Costello ist selbst schwer gestört und verliert angesichts des Verlustes seines geliebten Hundes den Blick für das Wesentliche vollkommen aus den Augen. Billy und Hans geraten also in allerlei haarsträubende und auch nicht ungefährliche Situationen, die wiederum als perfekte Inspiration für Marty's Drehbuch dienen.
Martin McDonagh ist ein klassischer „Me Too“ - Regisseur. So werden Filmemacher bezeichnet, die sich frech bei Klassikern bedienen und auf den zusammen geklauten Haufen ihren Namen und einen möglichst knalligen Titel kleben. Okay, „7 Psychos“ ist nun ein weniger origineller Titel, was der Übersetzung geschuldet ist. Aber selbst „Seven Psychopaths“ - der englische Originaltitel – entbehrt jeglicher Originalität und birgt auch noch einen ganz gemeinen Zungenbrecher. Der Film selbst arbeitet mit recht typischen Figuren, die trotz ihrer extremen Handlungen so wirken, als hätte man sie schon mal gesehen. Man muss nicht lange überlegen und sofort fallen einem Vergleiche mit Tarantino und Rodriguez auf. Auch die spontanen Gewalteinlagen festigen den Eindruck, hier Dinge zu sehen, die man schon kennt. Immerhin gibt es ein paar nette Wendungen, einen lustigen Tom Waits und den ein oder anderen guten Dialog.
Der Soundtrack bietet eine solide Mischung aus fetzigen Funk-Tracks für die witzigen Szenen, und einem düster-melancholischen Score von Carter Burwell für die ernsteren Sequenzen.
Die etwas konfus entwickelte Story schafft es sogar, hin und wieder über die Vorhersehbarkeit der ganzen Geschichte hinweg zu täuschen.
Jetzt aber mal genug der Meckerei, denn mir hat „7 Psychos“ eigentlich ganz gut gefallen.
Zumindest hatte ich Spaß und große Freude am grandiosen Schauspielensemble. Colin Farrell spielt einen Flenner – was er aus irgendwelchen Gründen immer am besten hinkriegt – Sam Rockwell harmoniert auf herrlich unkonventionelle Weise mit einem in die Jahre gekommenen, aber nicht minder überzeugenden Christopher Walken und Woody Harrelson dreht, wieder einmal jenseits aller Sphären, vollkommen am Rad, was er ebenfalls immer am besten kann.
McDonagh packt noch einige sehr nett platzierte Zitate an Gangsterklassiker dazu und serviert noch eine fröhliche Metaebene über das Produzieren von Filmen. Es geht also um Filme im Film und suggeriert einen Blick hinter die Kulissen, den es in Wirklichkeit natürlich nicht gibt. Auch dieser Einfall ist nicht neu, funktioniert aber immer und vermittelt den Eindruck, der Regisseur begibt sich auf eine gewisse Understatement-Ebene, die der Zuschauer vielleicht sogar teilt.
Letztendlich ist „7 Psychos“ die pure Unterhaltung für Erwachsene – wohl gemerkt. Das, was „Brügge sehen...und sterben“ so besonders gemacht hat, war eine poetische Melancholie, die die klassische Gangsterstory untermalt hat. Das wäre nun allerdings deplatziert gewesen, und hätte „7 Psychos“ nur unnötig schwermütig und krampfig gemacht. Stattdessen zwinkert man unentwegt mit den Augen und McDonagh hat es gerade noch einmal gemeistert. Beim nächsten Streich hilft die Devise „Besser gut geklaut, als doof selbst gemacht“ wohl nicht mehr.
Seven Psychopaths (GB, USA, 2012): R.: Martin McDonagh; D.: Colin Farrell, Sam Rockwell, Christopher Walken, Tom Waits, u.a.; M.: Carter Burwell; Offizielle Homepage
In Weimar: lichthaus
Der Filmblog zum Hören: Jeden Sonntag, 14 bis 15 Uhr, auf Radio Lotte Weimar.