7. Arbeiterlyrik

Der Werkkreis Literatur der Arbeitswelt veröffentlichte „35 unterschlagene Gedichte“ von Alfons Petzold. Frank Milautzcki schrieb darüber bei fixpoetry. 2 Auszüge:

1

1911 erschien der Band „Seltsame Musik“ mit sozial engagierter Lyrik von Alfons Petzold beim Wiener Verlagsbuchhändler Theodor Daberkow, der sich sonst eher humoristischen Vorträgen, Parodien, Travestien und Couplets verschrieben hatte, aber diesem offensichtlichen Dichtertalent aus den Gossen nicht widerstehen wollte, als eine reiche Förderin das Portemonnaie zückte und ihre „Unterstützung“ auf den Tisch blätterte. Es war bereits Petzolds zweiter Band Gedichte. Gefördert wurde er (auch finanziell) von der Baronin Frida von Meinhardt, die in ihrer früheren Karriere als Schauspielerin gescheitert war und sich in der Folge als Rezitatorin österreichischer Dichter versuchte, dabei sehr bald Affinitäten zur Arbeiterbewegung entwickelte und schließlich ihre Vorträge in die Wiener Arbeiterbildungsvereine verlegte, wo sie dankbarere Zuhörer fand und 1907 auch Petzold kennenlernte. Sie schrieb das Geleitwort zur „seltsamen Musik“, worin sie ihr Hintergrundwirken nicht gerade verschwieg, und handelte sich prompt schärfste Kritik aus den Reihen der Sozialisten ein: sie töne mit einer Selbstgefälligkeit, die typisch sei für die Söhnchen und Töchterchen der Bourgeoisie – Alfons Petzold sei als Arbeiterdichter ganz aus sich gewachsen und schulde niemandem einen Dank, auch einer Frida von Meinhardt nicht. „Was  u n s  Petzold so lieb und wert macht: daß er der Dichter der Arbeit, der Not, daß er  u n s e r  Dichter ist. Ein Sänger der Freiheit, ein Rufer zur Enthebung aus dem kapitalistischen Joch.“ hieß es im Literarischen Beiblatt „Ohne Herrschaft“ der anarchistischen  Zeitschrift „Wohlstand für alle“ im November 1911, inclusive Hervorhebungen.

2

Nachwievor gilt: ausgesprochen sozialkritische Dichtung ist – aus dem Blickwinkel der Literaturkritik gesehen – selten gut und gute Dichtung – aus dem Blickwinkel der Sozialkritik gesehen – selten explizit sozialkritisch. Das hat mit Klassen von Aspekträumen zu tun, in denen Text entsteht, nachdem man sich einen Verhalt aus einem eigenen Kontext heraus angesehen hat. Die Aspekte der Welt, denen sich die fast immer universitär geschulten Dichter/innen glaubhaft widmen können, sind naturgemäß verschieden zu denen, die ein Malocher aus seiner Welt wird herauslesen können. Das ist einfach so und nicht weiter schlimm. Es ist für einen Arbeiter schlichtweg nicht sehr interessant, was manche Sprachexperimentatoren hervorstolpern und umgekehrt gehören die basics des Arbeiterlebens und dessen Betroffenheiten nicht unbedingt zum Vokabular des literaturbetrieblich geforderten/geförderten Abstraktheitsgrads. Dennoch gibt es fruchtbare Überschneidungen und der großer Teil der Lyrik heute ist mehr denn je in Aspekträumen unterwegs und lebendig, die man in allen Lebenskontexten verorten kann. Sie ist gegenwartsorientiert und nicht ewigkeitsgeil.

Alfons Petzold: 35 unterschlagene Gedichte. Ausgewählt und zusammengestellt von Herbert Exenberger. Mit einem Vorwort von Friedrich G. Kürbisch. Werkkreis Literatur der Arbeitswelt, Wien 2010.



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