7. April 1933 • Entfernung von missliebigen Beamten + Juden

Forsch gingen die nationalistischen Machthaber daran, jüdische und politisch missliebige Beamte aus ihrem Dienst zu entfernen. Dazu wurde das ‚Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums’ am 7. April 1933 erlassen. Dies Gesetz wurde von Gesetz zur Wiederherstellung des BerufsbeamtentumsInnenminister Wilhelm Frick und Finanzminister Graf Schwerin von Krosigk unterzeichnet und gehörte zum weiteren dafür, wie sich die Nationalsozialisten vorstellten, mit den jüdischen Mitbürgern umzugehen sei, nach dem die Aktion von Anfang April nicht bei Juden einzukaufen eher gescheitert war, beziehungsweise abgebrochen wurde um wirtschaftlichen Schaden abzuwenden. Die Entlassung jüdischer Beamter aus dem Staatsdienst hatte zudem das Signal, die gesamte Exekutive und Judikative auszuhöhlen, zumal das Gesetz nicht nur Juden betraf, sondern auch Gegner des Nationalsozialismus. Dies traf vornehmlich Sozialdemokraten und Gewerkschaftler, Kommunisten in geringerem Umfang. Wenn man bedenkt, dass das Gesetz bereits 9 Wochen nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten in Kraft trat, so kann man ermessen, mit welcher Vehemenz die neuen Machthaber an die Umsetzung ihres Plans gingen, Juden in Deutschland aus dem öffentlichen Leben zu verbannen; dass mit politisch ‚unzuverlässigen’ Mitarbeitern ebenso umgegangen wurde, war die logische Folge zur Errichtung einer Diktatur. Das Gesetzt lautete:

Erste Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums.

Vom 11. April 1933.

Auf Grund des § 17 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933, Reichsgesetzblatt I S. 175, wird verordnet was folgt:

Zu § 2

Ungeeignet sind alle Beamten, die der kommunistischen Partei oder kommunistischen Hilfs- oder Ersatzorganisationen angehören. Sie sind daher zu entlassen.

Zu § 3

  (1) Als nicht arisch gilt, wer von nicht arischen, insbesondere jüdischen Eltern oder Großeltern abstammt. Es genügt, wenn ein Elternteil oder ein Großelternteil nicht arisch ist. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn ein Elternteil oder ein Großelternteil der jüdischen Religion angehört hat.
  (2) Wenn ein Beamter nicht bereits am 1. August 1914 Beamter gewesen ist, hat er nachzuweisen, dass er arischer Abstammung oder Frontkämpfer, der Sohn oder Vater eines im Weltkrieg Gefallenen ist. Der Nachweis ist durch die Vorlegung von Urkunden, Geburtsurkunde und Heiratsurkunde der Eltern, Militärpapiere, zu erbringen.
  (3) Ist die arische Abstammung zweifelhaft, so ist ein Gutachten des beim Reichsministerium des Innern bestellten Sachverständigen für Rasseforschung einzuholen.

Zu § 4

  (1) Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 4 Satz 1 gegeben sind, ist die gesamte politische Betätigung des Beamten, insbesondere seit dem 9. November 1918, in Betracht zu ziehen.
  (2) Jeder Beamte ist verpflichtet, der obersten Reichs- oder Landesbehörde § 7 auf Verlangen Auskunft darüber zu geben, welchen politischen Parteien er bisher angehört hat. Als politische Parteien im Sinne dieser Bestimmung gelten auch das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, der Republikanische Richterbund und die Liga für Menschenrechte.

Alle Verhandlungen, Urkunden und amtliche Bescheinigungen, die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlich werden, sind gebühren- und stempelfrei.

Berlin, den 11. April 1933.

Der Reichsminister des Innern
Frick

Der Reichsminister der Finanzen
Graf Schwerin von Krosigk

Zweck des am 11. April 1933 veröffentlichten Gesetzes waren die Verwirklichung der rassenpolitischen Ziele der NSDAP und die Gleichschaltung des öffentlichen Dienstes und das auf allen Ebenen, bis hinein in die Kommunalverwaltung.

Bis Heute überrascht selbst Historiker das Tempo, in der die Nationalsozialisten ihre Ziele umsetzten. Alle im Beamtenstatus befindlichen Personen mussten von nun an den sogenannten ‚Ariernachweis’ erbringen, der belegen sollte, dass der Beamte keine JudenverfolgungVorfahren jüdischer Religionszugehörigkeit hatte. Als Dokumente vorzulegen waren: Die Geburtsurkunde, die Geburts- oder Taufurkunden der Eltern und Großeltern, die Heirats- oder Trauurkunden der Eltern und Großeltern sowie gegebenenfalls Militärpapiere. Diese Unterlagen mussten die Beamten binnen 14 Tagen beim Behördenleiter einreichen. Konnte der Beamte die erforderlichen Urkunden nicht beibringen, dann musste er versichern, dass er alle Mittel und Wege versucht hatte, und zum Beweis alle Antwortschreiben der von ihm angeschriebenen Standes- und Pfarrämter beifügen. Für Zweifelsfälle sollte dann eine neu eingerichtete Dienststelle des Sachverständigen für Rasseforschung beim Reichsinnenministerium in Berlin zu Rate gezogen werden. Bei der Zerstörung der Rechtsstaatlichkeit gingen autoritäre Ordnungswünsche und Anpassungsbereitschaft auf Seiten der konservativen Justiz, die die langwierigen Rechtssprechungsverfahren der Weimarer Republik abschaffen wollte, mit Täuschungsmanövern und Gewalt durch die nationalsozialistischen Machthaber Hand in Hand. Vor allem im Justizbereich waren nationalsozialistische Parteianhänger seit März 1933 gewaltsam gegen Beamte vorgegangen. Richter und Staatsanwälte waren tätlich angegriffen und aus ihren Dienstzimmern vertrieben worden; Landesjustizminister hatten Zwangsbeurlaubungen ausgesprochen und Hausverbote erteilt. Bürgerliche Kreise und der noch nicht von den Nationalsozialisten kontrollierte Teil der Presse zeigten sich daher erleichtert, dass die Ausschreitungen und der ‚Radau-Antisemitismus’ durch eine gesetzliche Regelung der ‚Judenfrage’ ein Ende fanden. Die Ansicht, der angeblich übermächtige Einfluss der jüdischen ‚Fremdkultur’ solle beschnitten werden, war über den Kreis der Parteianhänger hinaus weit verbreitet. Der Ausschaltung und Vernichtung des inneren Feindes hatten nach der nationalsozialistischen Gewaltideologie auch Recht und Justiz zu dienen. Die Instrumentalisierung der Justiz zu politischen Zwecken ist zwar autoritären Verfassungssystemen nicht fremd, doch unterschieden sich davon Aushöhlung und Politisierung der Justiz im ‚Dritten Reich’ fundamental, vor allem durch Ausmaß und Methoden, die zu einer tendenziell unbegrenzten Ausweitung von Willkür und Rechtlosigkeit führten. So wurde die Rechtsordnung auf mehreren Wegen, durch die Verletzung wichtiger Rechtsprinzipien und -garantien sowie durch zahlreiche rassenideologisch bestimmte gesetzliche Einzelregelungen wie etwa:

- die Einführung des sogenannten Arierparagraphen in verschiedene Gesetze;

- die Entwicklung des Strafvollzugs und insbesondere der Schutzhaft, die präventiv und als willkürliche Freiheitsberaubung angeordnet werden konnte und zum Inbegriff der politischen Gegnerbekämpfung unter der nationalsozialistischen Herrschaft wurde; die Gleichschaltung der Justiz und die Aushöhlung der Unabhängigkeit der Richter;

ferner die umfassende Änderung der Gerichtsverfassung. Die Bedeutung dieses Gesetzes reichte, soweit es Juden betraf, weit über den öffentlichen Dienst hinaus und diente als Richtmaß für die Ausübung von ‚Berufen, mit öffentlich-rechtlicher oder öffentlicher Wirksamkeit’ wie Notaren und Patentanwälten. Schon in der Weimarer Republik hatte es Maßnahmen gegeben, um durch Stellenabbau die öffentlichen Haushalte zu entlasten. Die Nationalsozialisten nutzten als Entlassungsgrund diese im Paragrafen 6 vorgesehene Möglichkeit in größerem Ausmaß. So wurde in Hamburg bis zum Jahre 1935 die Entlassung bei 555 von 637 Lehrkräften unter Berufung auf § 6 ausgesprochen. Im gleichen Zeitraum wurden jedoch 468 dieser Stellen wieder besetzt, so dass die angebliche Einsparungsmaßnahme eher Vorwand war, um nationalsozialistisch gesinnte Lehrkräfte einstellen zu können; ähnliches wurde auch in anderen Teilen des Deutschen Reichs beobachtet. Dies Gesetz traf auch die Universitäten um Professoren und Forscher aus dem Lehrbetrieb zu entfernen, sogar Nobelpreisträger wie James Franck traf dies Gesetz. Der Universitätsprofessor für Rechtsphilosophie und Rechtsgeschichte der Universität Kiel, Hermann Kantorowicz, schrieb am 23. April 1933 auf den Fragebogen hinsichtlich der Abstammung seiner Großeltern folgendes: „Da zu einer Rückfrage, in welchem Sinne das Wort Rasse verwendet wird, keine Zeit ist, beschränke ich mich auf folgende Erklärung: Die Rassezugehörigkeit im wissenschaftlichen, anthropologischen Sinn vermag ich nicht mehr festzustellen, da meine 4 Großeltern sämtlich seit langem verstorben sind und m.E. die erforderlichen Messungen usw. zur (damaligen) Zt. nicht vorgenommen wurden. Ihre Rasse im volkstümlichen, sprachlichen Sinne war, da sie sämtlich Deutsch als Muttersprache sprachen,  die deutsche, also indogermanische oder arische. Ihre Rasse im Sinne der 1. Durchführungsverordnung zum Gesetz von 7. April 1933 §2 Abs. 1 Satz 3 war die jüdische Religion.“ Leider war diese ‚Erklärung’ seitens des Professors eher überflüssig, ob sie entsprechend verstanden wurd ist (leider) nicht belegt, da der Erziehungsminister Bernhard Rust ihn bereits am 14. April 1933 entlassen hatte; Professor  Hermann Kantorowicz erhielt seine Entlassungspapiere verspätet.

Heidelberg Israelit

Saul Friedländer schreibt: „Dieses Gesetz zielte in seiner allgemeinsten Intention darauf, die gesamte Regierungsbürokratie umzugestalten, um ihre Loyalität gegenüber dem neuen Regime sicherzustellen. Seine Ausschließungsmaßnahmen, die für mehr als zwei Millionen staatlicher und städtischer Beschäftigte galten, waren gegen die politisch Unzuverlässigen, hauptsächlich Kommunisten und andere Gegner der Nationalsozialisten, und gegen Juden gerichtet.“

Der Historiker Uwe Dietrich Adam nennt den die Bezeichnung ‚Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums’ eine „zynische Umkehrung des eigentlichen Sachverhalts“.

Peter Longerich stellt heraus, dass die beiden ersten antijüdischen Gesetze vom 7. April 1933 „einen massiven Eingriff in die seit 1871 im Deutschen Reich geltende staatsbürgerliche Gleichberechtigung der Juden“ bedeuten.

Daniel Goldhagen wertet die frühen antijüdischen Maßnahmen wie folgt: „Die Eliminierung der Juden war von Anfang an Hitlers Ziel. Es begann schon 1933 mit dem Ausschluss von Juden aus der Gesellschaft.“

Ebenfalls am 7. April 1933 wurde das ‚Gesetz über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft’ ausgefertigt, das entsprechende Regelungen enthielt. Zur Enttäuschung der Antisemiten mussten reichsweit ‚nur’ rund 40 % der jüdischen Rechtsanwälte ihre Berufstätigkeit beenden, da viele durch das ‚Frontkämpferprivileg’ geschützt waren.

Das Gesetz wurde durch das alliierte Kontrollratsgesetz Nr. 1 betreffend die Aufhebung von NS-Recht vom 20. September 1945 aufgehoben.

Weiterlesen:

Nationalsozialismus: 1. April 1933 Boykott jüdischer Waren

Adolf Hitlers ‚gläubiger’ Antisemitismus

Antisemitismus • Versuch einer Definition

Pogróm · Definition & Geschichte von Pogrómen

darüber hinaus:

Wie alles begann: Grundstein für ein Terrorregime

30. Januar 1933 • Beginn eines Terrorregimes

Nationalsozialismus: Gleichschaltung auf allen Ebenen

Bild 1: Reichsgesetzblatt – Quelle: wikimedia.org · Bild 2: Schild Judenverfolgung + Bild 3: Anzeige in einer zeitung – Quelle: shoah.de


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