Pablo Neruda, geboren 1904 als Ricardo Eliecer Neftalí Reyes Basoalto: Er besass «die mächtigste Stimme des lateinamerikanischen Kontinents», meinte Hans Magnus Enzensberger. Die Sammlung «Zwanzig Liebesgedichte und ein Lied der Verzweiflung» (1924) gehört zu den meistgelesenen Lyrikbänden überhaupt. «Ich liebe. / Dich, Leib aus Haut, aus Moos, aus Milch, voll Kraft und Begierde. / Ah, die Becher der Brüste! Ah, die entrückten Augen! / Ah, die Rosen des Schambergs! Ah, deine schwere Stimme!» Seine Hymnen und Gesänge verzauberten die Leser nicht minder als die «Elementaren Oden» an die blaue Blume, an Brot oder Zwiebel, an die Seeaalsuppe.
Viele von Nerudas Gedichten haben beim Wiederlesen nichts von ihrer Kraft verloren. Andere wirken banal oder kitschig. In wieder anderen – etwa in den Poemen aus «Der Grosse Gesang» (1950) – spürt man das Streben des Autors, den geschundenen Heimatkontinent in das Zentrum einer neuen Heilslehre zu verwandeln. Neruda wurde Idol der Linken, Verkünder einer gerechteren Welt, er hörte sich selbst als «die Stimme von allen, / die bisher stumm gewesen». / Uwe Stolzmann, NZZ
Der NZZ-Autor fordert „die verspätete Auseinandersetzung mit einer zwiespältigen Persönlichkeit“ und führt sie gleich. So kritisiert er die dreibändige Luchterhand-Auswahlausgabe von 2009 als unkritisch-distanzlos, Begründung:
Die Vielfalt der (deutschen) Stimmen ist nun Vor- und Nachteil zugleich. Viele Übertragungen stammen aus DDR-Büchern – Texte von Erich Arendt, Stephan Hermlin, Fritz Rudolf Fries –, sie wurden für die Neuauflage nicht revidiert. (Arendts Arbeiten, von Neruda persönlich autorisiert, gelten gar als sakrosankt.)
Stimmt, eeh, das mit dem Zitieren aus DDR-Büchern muß endlich aufhören. Oder was meint er?
Pablo Neruda: Die Gedichte. Band 1–3. Aus dem Spanischen von Fritz Rudolf Fries, Erich Arendt, Katja Hayek-Arendt, Stephan Hermlin, Fritz Vogelgsang, Monika López. Luchterhand-Literaturverlag, München 2009. 2922 S., Fr. 72.90. Antonio Skármeta: Mein Freund Neruda. Begegnungen mit einem Dichter. Aus dem Spanischen von Petra Zickmann. Piper-Verlag, München 2011. 224 S., Fr. 30.50. Pablo Neruda: Geografía infructuosa / Unfruchtbare Geographie. Gedichte, spanisch/deutsch. Aus dem Spanischen von Hans-Jürgen Schmitt unter Mitwirkung von Ute Steinbicker. Teamart-Verlag, Zürich 2011. 110 S., Fr. 27.–.