Als ich mich dazu entschied, an der Vipassana Meditation in Chiang Mai teilzunehmen, habe ich mir gedacht, dass es eine interessante, aber nicht allzu schwere Erfahrung wird. Ich wusste, dass es hart werden könnte, ab 11.00 nichts mehr zu essen und seeeehr früh aus dem Bett zu müssen. Aber den Rest habe ich mir tatsächlich eher als angenehm vorgestellt. Viel Ruhe, in der Natur sein und nur bei mir die ganze Zeit. Irgendwie wie Urlaub nur mit viel sitzen.
Gut, dass ich absolut keine Ahnung davon hatte, wie hart so etwas sein kann.
Hier ein kleiner Überblick, über meine Gedanken & mein Wohlbefinden während der knappen Woche:
Tag 2: Ich fühle mich schwach und extrem gealtert. Bin ich dieser Erfahrung gewachsen? Ich habe es vollkommen unterschätzt. Ich bin angespannt anstatt entspannt. Meine Gedanken wollen einfach nicht aufhören. Es ist laut, sehr laut sogar! Meine Birne ist kurz davor zu explodieren. Zusätzlich komme ich mir vor wie in einer Sekte oder Irrenanstalt. Alle laufen weiß gekleidet rum, verhalten sich merkwürdig und schweigen sich an.
Tag 3: Ich fühle mich morgens top! Frisch, klar und ausgeruht. Wow..ich habe das schlimmste überstanden.
Abends fange ich wieder an zu verzweifeln und kriege schlechte Laune. Um 18.00 bin ich schon so müde, dass ich während der Meditation einschlafe.
Der Rücken schmerzt und meine Gedanken auch! Hallo Kopfschmerzen – Goodbye Energy!
Tag 4: Die Gedanken werden weniger. Mein Rücken schmerzt aber dafür umso mehr. Ich mache heimlich in meinem Zimmer Yoga, um die Schmerzen loszuwerden. Das meditieren ist keine Qual mehr. Es gibt inzwischen Momente, in denen ich es richtig genießen kann.
Tag 5: Ich fühle mich gut. Leicht irgendwie. Meditieren fällt mir immer leichter. Mein Körper wird ganz leicht. Ich spüre ihn kaum noch. Ein unglaubliches Glücksgefühl kommt in mir auf. Ich realisiere allmählich, was da eigentlich passiert und was wirkliche Freiheit bedeutet. Um dahin zu kommen, müsste ich sehr viel länger dort bleiben. Dennoch gut zu wissen, dass es gute, aber schmerzhafte Methoden gibt, die einen dahin führen können.
Tag 6: Mir geht’s besser und besser. Vielleicht, weil es meine letzten Stunden dort sind und ich mich auf die “Realität“ freue. Ich nutze die paar letzten Stunden noch sinnvoll und entspannt, bevor es mit dem Tuk Tuk zurück in die Stadt geht.
Okay, da bin ich nun zurück in der normalen Welt! Irgendwie freue ich mich nicht. Wo ist das Glücksgefühl, von dem so viele erzählt haben? Ich fühle mich komisch. Meine Stimmung ist irgendwo zwischen “das ist mir alles zu viel, ich will zurück“ und “boah..gleich gibt’s Müsli und ‘nen Coconut Latte“.
Ab dem nächsten Tag habe ich mich wie high gefühlt, was nach wie vor noch anhält. Ich bin langsamer, aber konzentrierter und fühle mich aber dabei als ob ich schweben würde. Alles ist intensiver irgendwie. Ganz schwer zu beschreiben dieses Gefühl.
Ich esse auch weniger und habe bisher keine Süßigkeiten angerührt, obwohl ich sonst süchtig danach bin.
Mein Fazit:
Meine unschönsten Seiten kamen während dessen zum Vorschein.
Ich urteile normalerweise nicht über Menschen – jedenfalls meine ich das. In der Zeit hab ich mich des öfteren dabei erwischt, als ich dachte “Boah, muss die jetzt echt vorm essen erst ne Stunde beten?“ “Was guckt der Typ mich so scheiße an?“, “Altaaa..kannste die Tür auch leise schließen“ und zig andere vollkommen schwachsinnige Gedanken.
Alles Dinge, die mich sonst die Bohne nicht interessieren würden und mich auch nicht aus der Ruhe bringen könnten.
Es war aber einfach eine Extremsituation! Ich hatte Hunger, war müde und sauer über meine ständigen Gedanken. Dadurch das reden und alles andere außer sitzen, untersagt war, staut sich alles innerlich an und kann nicht rausgelassen werden. Es auszusitzen ist die einzige Möglichkeit, die ich hatte! Also keine wirklich angenehme.
Mir kam die ganze Sache so vor, als ob mein Verstand im Gefängnis sitzt und sich versucht auf schmerzhafte Art und Weise zu befreien.
Oder was es noch eher auf den Punkt trifft: Dein Geist wird ohne Betäubung operiert und du bekommst die Schmerzen ganz bewusst mit.
Der Parasit, der dir die ganze Zeit schlecht zuredet wird entfernt! Es gleicht einer Befreiung.
Du weißt, dass du nicht deine Gedanken bist! Geht ja auch gar nicht, sonst würdest du deine Gedanken ja gar nicht bemerken. Es ist eine sehr mächtige Einsicht, das zu wissen. Denn DU kannst das Gefasel lenken!
Ansonsten könntest du dich über deine Gedanken gar nicht freuen oder aufregen.
Du kannst deine Gedanken ja beobachten und teils auch lenken.
Schon daran erkennst du, dass du viel, viel mehr bist, als nur die Stimme in deinem Kopf.
Und es ist mehr als fantastisch das zu realisieren. Du stehst weit über deinen Gedanken. Du bist viel mächtiger , als du es für möglich hältst.
Eine wichtige Sache, die ich während der paar Tage für mich realisiert habe ist, dass ich den richtigen Weg eingeschlagen hab und dass ich weitergehen sollte und sogar viel mehr dafür tun sollte. Ich weiß nicht wohin mich dieser Weg führen wird. Ich weiß aber, dass es noch großartig werden wird!