Tschüß Pille, Du dumme Sau. schon nach knapp 36 Stunden ohne Dich geht’s mir besser. Schönen Dank auch. Für nix.
— Knitterfee (@Knitterfee) 11. Juli 2014
Bevor ich meine Erfahrungen der letzten Monate mit Euch teile, die ja nun hauptsächlich etwas mit mir persönlich zu tun haben, will ich eine Erfahrung mit Euch teilen. Vor etwa 1 1/2 Jahren nahm ich nicht die Pille. Ich war gerade aus einer Langzeitbeziehung raus, in der die letzten 3 Jahre sowieso nichts mehr lief und Verhütung damit auch völlig überflüssig war, hatte mich etwas berappelt und war in dem Zustand, den man wohl “Rebound” nennt. Ich würde nicht sagen, dass ich im Herbst 2013 in einer festen Beziehung war, aber es war doch mehr als ein One-Night-Stand. Ich war da immer konsequent, auch wenn ich nicht viele Erlebnisse in meinem Leben hatte, die als ONS qualifizieren, aber durchgängig die Pille zu nehmen: Nein. So kam es dazu, dass wir in meiner Nichtbeziehung eher unsicher nach Kalender und Pi-mal-Daumen-Prinzip Kondome verwendeten. Wir waren beide HIV-negativ getestet und auch sonst war alles okay, da sprach also nichts wirklich dagegen. Damals wusste ich so einige Dinge über meinen Körper noch nicht, aber dazu komme ich später. Ich habe es damals glaube ich in meinem Jahresrückblick nur sehr kurz angeschnitten, weil diese gesamte Erfahrung für mich sehr schmerzhaft war, aber um es vielleicht einfach mal auf den Tisch zu legen und damit abzuschließen: Ich wurde schwanger, hatte aber das, was man einen “frühen Abgang” nennt, irgendwo in der sechsten Woche – und die ich vermutlich nur bemerkte, weil ich darauf wartete, zum Zyklusbeginn mit der Pille wieder anfangen zu können. Er war erleichtert, ich war erschüttert. Erst einmal hatte ich nicht damit gerechnet, und seine Freude darüber, dass ich ja “nun doch nicht schwanger war”, tat erst recht weh. Aber wozu hat man Freunde, und so kam es, dass ich eines Abends am Tresen saß und einer schwangeren Bekannten davon erzählte, zwischen uns saß ihr Mann, den ich auch flüchtig kenne. Und als ich so erzählte, guckte er mich an, völlig erstaunt, und sagte
“Nimmst Du denn nicht die Pille?!”
Dieser Satz hat einige Monate gebraucht, bis er ganz in meine Wahrnehmung eingesickert ist, aber nun ist er da, und nun wird mir klar, dass die Emanzipierung, die Frauen sich wohl einmal von der Pille versprochen hatten, uns nun irgendwie das Messer in den Rücken rammt.
Es wird erwartet, dass ich als Frau die Pille nehme.
Ich lasse den Satz einfach mal so stehen, lasse ihn bei Euch sacken und vielleicht reden wir irgendwann später mal darüber.
Nachdem Christoph und ich einige Wochen zusammen waren, hatten wir die Kondome irgendwie satt, und ich fing dann doch wieder an, die Pille zu nehmen. Und es ging mir schlecht. Das flaue Gefühl im Magen, den ganzen Tag über. Latente Übelkeit. Libido gleich Null – da hatte ich nun endlich diesen unglaublich attraktiven, tollen Mann an meiner Seite, den ich eigentlich ständig anspringen wollte, aber irgendwie war meine grundsätzliche Lust auf Sex einfach total weg. Die dauerhaften Schmierblutungen halfen nun auch nicht wirklich weiter. Und dann kamen die Depressionen – und zwar nicht nur ein bisschen Mimimi. An dem Tag, an dem ich mich umbringen wollte, aber nicht wusste warum, beschloss ich, wieder abzusetzen.
4 (oder 5?) Tage ohne Pille: Huch. Die Pickel sind weg. Die latente Übelkeit auch. Die Stimmung wird besser. Hach.
— Knitterfee (@Knitterfee) 15. Juli 2014
Nun wollten wir aber nicht so gerne Russisches-Baby-Roulette spielen, und ich fing mit NFP an. Was das ist, falls es Euch nichts sagt: die Beobachtung von Körpertemperatur und Zervixschleim. Ja. Man sollte als Frau eventuell keine Probleme damit haben, sich anzufassen, das kann hilfreich sein. Mehr Infos gibt’s übrigens hier.
Dinge, die ich mit NFP über meinen Körper herausgefunden habe: Ich habe einen späten Eisprung (wenn ich denn mal einen habe), der oft (nicht immer) nicht um den 14. Zyklustag, sondern um den 17. herum liegt. Ich habe nach wie vor sehr kurze Zyklen, 26 Tage etwa, und ich habe Mittelschmerz, immer links, und meine Brüste tun auch ab Eisprung weh. Und das sind nur so einige Dinge.
Was ich aber mindestens genauso spannend finde wie die Dinge, die ich nun über mich weiß: Es gibt mittlerweile so viele Frauen in meinem Umfeld, die nicht (mehr) die Pille nehmen. Und da kommen wir zu der Erwartungshaltung, die sogar ich habe, und die ich ganz schrecklich finde. Die Pille ist so selbstverständlich, dass wenn ich mit einer Freundin beim Mittagessen sitze und über mein pillenfreies Glück spreche, und sie sagt: ja, ich bin so froh dass ich die nicht mehr nehme, ich will nie wieder zurück, ich total verdattert bin.
Oder wenn ich auf Twitter mal wieder eine impulsive Äußerung zum Thema loslasse, und plötzlich kommen wieder neue “Bekennerinnen” aus den digitalen Löchern gekrochen.
Wann ist es denn passiert, dass wir als Gesellschaft einfach eine grundsätzliche Erwartung in Bezug auf Verhütung haben? Und wer sagt uns, dass die jahrelange Manipulation unserer Körper mit Hormonen nicht irgendwann mal doch schädlich für unsere Körper ist? Ich habe angefangen, die Pille zu nehmen, als ich 15 war, und habe sie über 10 Jahre am Stück genommen. Ich habe keine Ahnung, ob die Unregelmäßigkeiten in meinen Zyklen von meinem grundsätzlich chaotischen und kaputten Stoffwechsel kommen, oder ob die Pille eventuell auch etwas damit zu tun hatte.
Nun versteht mich nicht falsch, für manche Frauen mag die Pille eine total großartige Verhütungsmethode sein. Und auch dass es die Pille danach nun ohne Rezept gibt, finde ich gut.
Aber irgendwie habe ich das Gefühl, es läuft was falsch.
Zum Beispiel stieß ich bei meinen Recherchen zur natürlichen Zyklusregulierung auf Mönchspfeffer. Der soll bei Männern zum Beispiel libidosenkend wirken – bei Frauen genau das Gegenteil bewirken. Mönchspfeffer ist in Deutschland nur zur Behandlung von Frauen zugelassen. Die Frage eines Mannes, wie er den Mönchspfeffer dosieren müsse, um seine Libido zu senken, beantwortete eine Ärztin in einem Forum mit: “Es gibt Psychopharmaka mit Libido senkender Wirkung. Haben Sie darüber schon einmal mit Ihrem Arzt gesprochen?”
Und so werden wir mit synthetischen Hormonen vollgeknallt, bevor wir durch die Pubertät durch sind, damit unsere Eltern ruhig schlafen können, wir nicht so viel Schule verpassen weil wir 2 Tage monatlich mit Krämpfen flachliegen, und die Männer sollen bitte Psychopharmaka nehmen.
Bei der Pille danach wird groß rumgeheult, aber die normale Pille, die über einen längeren Zeitraum mit viel höheren Hormondosen daherkommt, wird tatsächlich verschrieben wie Smarties.
Geht’s noch?
Und eben weil das Feedback zu dem Thema immer so groß ist, dachte ich mir, ich schreib dazu mal was auf dem Blog. In den Kommentaren ist mehr Platz als 140 Zeichen – ich freu mich auf Eure Erfahrungen und Fragen. Nehmt Ihr die Pille? Wenn nicht, verhütet Ihr, und wenn ja, wie? Erwartet Ihr, dass Frauen die Pille nehmen, und wie ist das in Eurem Freundeskreis?