Beide sind in Polen geboren, schreiben auf Deutsch und veröffentlichten im selben Verlag. Da hören die Gemeinsamkeiten aber auch auf. Immerhin wird der eine eher als experimenteller Lyriker rezipiert, der andere ließ in den verklärt-rätselhaften Versen seines Debüts Schmetterlinge und andere Märchenfiguren auftreten. Allen stilistischen Unterschieden zum Trotz schält sich bei der Lektüre von Langes »Das Schiefe, das Harte und das Gemalene« und Rudolphs »confessional poetry« jedoch ein gemeinsamer Nenner heraus: Beide befassen sich mit dem Ich im Gedicht.
Rudolph widmet sich in seinem zweiten Band den Idiosynkrasien des Alltags. Bierdurchtränkter Thekentalk, ein Fußballspiel und die Parkbankkonversation mit einer heroinsüchtigen Prostituierten liefern den Stoff, aus dem sich die Gedichte speisen. Weit entfernt vom Gestus eines rauhbeinigen Underground-Poeten entwirft er absurde Bilder, die feinsinnigen Humor und unverkitschtes Pathos bis zur Unentwirrbarkeit ineinander verflechten: »liebst du mich auch deshalb so halb & halb / und kompetent, / weil uns / die doppelhelix so sanft verkettet / und gefangen hält?«. (…)
Auch in der zweiten Lyrikpublikation Norbert Langes sind dem Ich einige Momente im Spotlight vergönnt. Diese poppen nur nebenbei auf, erweisen sich aber als roter Faden in einem dichten und stilistisch höchst abwechslungsreichen Gedichtband. »Das Schiefe, das Harte und das Gemalene« soll, so schreibt Lange es in der Nachbemerkung, nur der Auftakt von »einem im Entstehen begriffenen, über mehrere Bücher verteilten Hypertext« sein. Seine sprachspielerischen Gedichte verweisen auf literarische Traditionen und blenden schon mal den aggressiven Sprachgestus eines Thomas Kling und Schillers Ode »An die Freude« ineinander. Poetische Splitter, die Lange von Brötchentüten abgelesen oder in der Literatur der Antike aufgefunden hat und in seinen Gedichten in Bewegung setzt, interagieren läßt. / Kristoffer Cornils, junge Welt
- Andre Rudolph: confessional poetry. Luxbooks, Wiesbaden 2012, 90 Seiten, 19,80 Euro
- Norbert Lange: Das Schiefe, das Harte und das Gemalene. Luxbooks, Wiesbaden 2012, 124 Seiten, 22 Euro