Traditionell gibt es am Vorabend der Finest Spirits ein Tasting mit einem der Aussteller, der bei dieser Gelegenheit eine Auswahl seiner Range vorstellt. Diesmal ist das Tom von Anam na h-Alba. Den haben wir vor ein paar Jahren in Bochum auf der Whisky ’n More kennengelernt, wo seine Auswahl ganz interessant war. Damit hatten wir hier einen weiteren Kandidaten mit einem Sortiment, aus dem man sich eventuell mal eine Flasche ins Regal stellen kann.
Los geht es sehr jung mit einem Knockdhu, Anam na h-Alba, 7 Jahre, 2008-2015, Bourbon Cask, 59,2%. Dass er seine Abfüllungen nicht einfärbt, hätte Tom bei diesem hier nicht erwähnen müssen, denn der Knockdhu erreicht gerade mal ein Blass knapp über farblos. Auch der erste Geruch erinnert mich mehr an Grappa als an Whisky. Hinter dem Alkohol kommt dann aber doch noch grüner Apfel durch. Im Mund ist er erstmal alkoholisch scharf, dazu gibt es ebenfalls etwas Frucht und ganz leichte Holznoten, bevor er in einem recht kurzen Abgang verklingt. Alles in allem erinnert mich das stark an einen Obstler, den man noch ein bisschen im Fass hat nachreifen lassen. Nett, mehr aber auch nicht. Am Tisch haben wir noch eine ähnlich junge Glenglassaugh-Abfüllung – ebenfalls von Anam na h-Alba, die Oli von Munich Spirits mitgebracht hat. Die lässt den Knockdhu recht problemlos weit hinter sich.
Nummer zwei ist dann schon deutlich reifer – Ben Nevis, Anam na h-Alba, 16 Jahre, 1998-2015, Bourbon Cask, 52,6%. Ebenfalls recht hell. Der erste Eindruck mit der Nase über dem Glas ist Kirsche, das ändert sich allerdings recht schnell in Richtung Holz und Wurzelwerk. Die Tasting Notes sprechen von Zuckerwattesüße und mehr Apfel als Birne, aber diese Sachen finde ich nicht. Im Munde hat man kurz eine cremige Süße, dann recht wuchtig Alkohol, der dann über ein paar bittere Noten wieder zu einer cremigen Süße verklingt. Der Geschmack haut mich nicht so richtig vom Hocker, aber der Nachhall, der im Mund zurückbleibt, gefällt mir recht gut.
Der nächste Durchgang verspricht mehr Komplexität. Ein Auchentoshan, Anam na h-Alba, 17 Jahre, 1998-2015, Sherry Cask, 50,7%. In der Nase erinnert das auf Anhieb an Hustensaft und Medizin, wird dann aber eher zu deutlichen Schwefelnoten. Dazu kommt die Süße des Sherrys, nach einiger Zeit erinnert das sehr an Pumpernickel. Im Mund hängt es sehr davon ab, wie groß der Schluck ist. Je mehr man in den Mund nimmt, desto deutlicher überlagert die Süße des Sherryfasses die bitteren Noten, Weingummi ist auch mit drin. Diese Mischung aus Bitterkeit und zarter bis deutlicher Süße bleibt auch im Abgang erhalten und verändert dabei immer wieder leicht die Verhältnisse. Gefällt mir gut, weil das hier ein eher ungewöhnlicher Whisky mit eigenem Charakter ist.
Auch der letzte vor der Essenspause kommt aus dem Sherryfass: Strathmill, Anam na h-Alba, 25 Jahre, 1990-2015, Refill Sherry, 55,6%. Auch hier gibt es deutlich Schwefel in der Nase, dazu Kirsche und Gewürze, sehr schön ausbalanciert. Ausgewogen zeigt er sich auch im Mund, mit Ledernoten, leichter Würze und der Süße des Sherrys. Im Abgang zeigen sich keine neuen Noten, sondern die ausgewogene Mixtur verklingt langsam im Mund. Sehr angenehm, ein schöner Trinkwhisky.
Nach der Pause gibt es eine Abweichung im Programm. Lorenz Schreier von den Tasting Fellows ist aufgrund der Marktlage aus dem Geschäft ausgestiegen und Tom hat ihm sein letztes Fass abgekauft und abgefüllt: Glenburgie, Anam na h-Alba, 20 Jahre, 1995-2016, Bourbon Hogshead, 54,3%. Die Abfüllungen von Lorenz mochte ich eigentlich alle und die beiden anderen Glenburgie-Fässer waren ganz vorn dabei. In diese Reihe fügt sich auch dieser hier nahtlos ein. Nach einem kurzen Anflug von Lösungsmitteln kommt die volle Ladung Fruchtkompott aus reifen Äpfeln und Aprikosen. Der Geschmack ist passend dazu voluminös mit viel reifer Frucht und Sonnenschein und einem langen, fruchtigen Abgang. Flüssiger Aprikosendatschi mit Alkohol, der auch direkt nach einem Teller Antipasti ohne große Probleme bestehen kann. Bombe!
Obstig bleibt es mit dem Aberlour, Anam na h-Alba, 22 Jahre, 1993-2015, Bourbon Cask, 51,3%, hier allerdings eher mit grünem Obst, Bananen und anderen (unreifen) tropischen Früchten. Im direkten Vergleich wirkt das sehr anders und auch die Frucht kommt weniger deutlich raus, was aber am Vorgänger liegen mag. Dafür gibt es Pfeffernoten und etwas Kokos, im Abgang kommt eine malzige Süße dazu. Nicht übel, verliert aber gegen den Glenburgie.
Mit dem Tullibardine, Anam na h-Alba, 26 Jahre, 1989-2015, Bourbon Cask, 53,3% kommt nun ein wenig Rauch ins Spiel. Dazu gibt es Zitrusnoten und herbe Kraft. Die Kombination erinnert mich ganz leicht an Caol Ila, wobei der Rauch deutlich weniger heftig ausfällt. Im Abgang wird die Zitrusfrucht etwas deutlicher, das Herbe bleibt aber dominant. Wer auf Campari Orange steht, wird hier vielleicht fündig. Finde ich nicht uninteressant.
Wie so oft kommt der Kracher zum Schluss, zumindest nominell: Glenglassaugh, OB for Anam na h-Alba, 36 Jahre, 1978-2015, Port Cask, 41,9%. Das klingt von den Rahmendaten schon mal sehr gut und kann auch im Glas die Erwartungen erfüllen. Reife, rote Früchte steigen einem entgegen. Dazu Traubenschalen, Bowle und eine leicht frische Note wie von ein paar Blättchen Minze. Im Geschmack dominiert eine füllige, schwere Süße, die den Whisky aber nicht überlagert oder eindimensional macht. Das geht über in eine etwas bittere Würze, die den Speichel im Mund zieht und dann nach einem langen Abgang wieder in süße Noten übergeht. Sehr ausgewogen und trotz des niedrigen Alkoholgehalts voluminös und überhaupt nicht wässrig. Fraglos ein richtig tolles Teil.
Interessante Sachen waren dabei, auch wenn nichts davon einen spontanen Kaufzwang ausgelöst hat. Danke an Tom und Munich Spirits!