53. Meine Anthologie (Abräumer 4): Tanz und Denken

Martina Hefter

Kranich

Meine Freunde, Tänzchen, ihr lieben Verschwender
von Geld, Gefüge, Gelenk, verehrte,
grünschillernd, Verbieger,

habe lang nachgedacht,
ob ich schlecht denke von euch.
Tanzende denken kein Denken,

und Kraniche können nicht tanzen, o Lord.
Ich denke mir lieber das Denken als Fluss,
im Ufergestrüpp ein »darum« tanzender Kranich.

Nehmt, Tänze, was euch gehört,
mein Wiegen, den Binsenschwung,
die Schilfähnlichkeit,

wenn zwischen Stoppelgrasufern
und Halmengrab das Denken in Einsamkeit schlingert.

Platon sagte, Tanz ahme menschliches Sprechen nur nach.
Wer nicht gut sprach, tanzte sich eben den Kranich.

Anmerkung aus dem Buch:

Theseus entkommt aus dem kretischen Labyrinth und tötet Minotaurus, was zum antiken Brauch  der Labyrinth-Tänze führt. Deren bestimmender Tanzschritt ist der Geranos, Kranich-Schritt, ältester pas der Welt. | Platon läßt die Athener feststellen, dass Nachahmung einer gesprochenen Handlung durch Körperhaltungen den Tanz überhaupt erst habe entstehen lassen. Siehe: Ästhetik der Antike, Berlin u. Weimar 1989

Martina Hefter: Nach den Diskotheken. Gedichte.
Kookbooks 2010

(Auch eine schöne Stelle: „Ich wusste, dass Elfen Gedichte sind, mit Muskeln, / nur schöner“. S. 58)



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