Der eingangs erwähnte Rezensent der „FAZ“, der Berliner Germanist Ernst Osterkamp, findet vom Titel angefangen ausnahmslos alles an diesem Band – bis auf Juvenals Satire – platt und banal, poetische Konfektionsware eines an sich „guten Lyrikers“. Der Verriss hat Grünbein offenbar so aufgebracht, dass er sich bemüßigt fühlte, eine Erwiderung in Form eines Leserbriefs zu verfassen, publiziert in der FAZ vom 14.10., zwölf Tage nach Osterkamps harscher Kritik. Die interessanteste Frage bei diesem Konflikt ist vielleicht die nach Begriff und Wesen des Banalen, sozusagen nach der vermeintlichen Bösartigkeit der Banalität: Ist es beispielsweise im schlechten Sinn banal, wenn Grünbein die römischen „Frühstückskapellen“ feiert (ein schöner Ausdruck, wie ich finde), und welche produktive Funktion könnten Elemente des Banalen in der Literatur haben?
„Ich habe eine große Lust auf Abstürze, je höher der Ton ohnehin schon ist, je bedeutsamer scheinbar das Sujet, desto wichtiger ist es, dann doch die zerquetschte Blechbüchse am Rand zu sehen. Ich glaube, dass die Kunst immer von solchen Spannungen lebt, von gewagten Gegensätzen. Für den denkenden Menschen ist der Raum des Klischees ohnehin sehr viel größer, als die meisten glauben. Muss man Angst davor haben, oder hat das Klischee, in die Form hineingebracht, nicht auch eine Funktion? Für einen Nabokov wäre Grass insgesamt ein kitschiger Autor. Insgesamt! Das ganze Werk ist aus der Sicht sozusagen verdorben, weil es klischeehafte politische Ideen enthält. Wer dieses Schwert auspackt, der muss sich auf ein riesiges Gemetzel gefasst machen.“
Ein großes Gemetzel hat die Debatte zwischen Autor und Rezensent bisher nicht ausgelöst, aber man darf schon darauf hinweisen, dass auf einem äußerst schmalen Grat der Subjektivität wandelt, wer anderen Gemeinplätze, Klischees oder einen zu großzügigen Umgang mit dem sogenannten Banalen vorwirft. Denn, seien wir einmal ehrlich, was ist schon unwidersprochen und unumstößlich originell?
„Was das Originelle betrifft, da fällt einem wieder Goethe ein…
/ Martin Krumbholz, DLF Büchermarkt
Durs Grünbein: Aroma. Ein römisches Zeichenbuch. Suhrkamp Verlag, 185 Seiten, 19,90 Euro.