53. Bücher aus Hausmüll

Wenn jemand einem Verleger sagt, sein gesamtes Programm bestehe nur aus Müll, dürfte das die schlimmste aller möglichen Beleidigungen sein. Das Gegenteil gilt für Washington Cucurto: Er ist stolz darauf, als erster Verleger der Welt ausnahmslos Müll zu publizieren. Dabei überbietet der Katalog seines Hauses „Eloisa Cartonera“ inzwischen qualitativ selbst die feinsten Verlage. Denn nicht der Inhalt ist „Trash“, die Bücher selbst sind es: gefertigt aus den leeren Kartons der Hausmülltonnen und Supermärkte. …

Etwa um die Jahrtausendwende schloss sich Cucurto mit weiteren Underground-Autoren zusammen, um Bücher im Eigenverlag zu verbreiten. Denn „Cucus“ bunte, sinnliche, oft offen sexuelle, aus allen Migrantendialekten der Multikulti-Metropole Buenos Aires wild zusammengemixte Literatur wurde von den etablierten Verlagen verschmäht, so dass er sein Geld meist als Möbelpacker verdiente. Bibliothekare taten sich sogar zusammen, um seinen ersten Gedichtband „Zelarayán“ aus den Regalen zu entfernen und als „obszönes Schundwerk“ öffentlich zu verbrennen. …

Inzwischen reißt sich ein bedeutender Teil der argentinischen Großschriftsteller-Garde darum, eine Müll-Version ihrer Werke vorweisen zu können. Kaum einer von ihnen fehlt im Katalog von Eloísa Cartonera: Martín Kohan, Ricardo Piglia, Alan Pauls, Anna-Seghers-Preisträger Fabián Casas, der selbst den Verlag mitbegründete; daneben die großen Namen der lateinamerikanischen Literaturavantgarde wie Mario Bellatín oder Reinaldo Arenas. Derzeit verhandelt Cucurto mit der Borges-Witwe María Kodama darüber, ob auch der größte aller argentinischen Dichter noch seinen Weg in den Abfall findet. / Florian Borchmeyer, FAZ 6.10.

 



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