„Opas freund /najden hat aus dem brunnen / einen römischen soldaten /gezogen“ heißt es in einem Gedicht der jungen Serbin Dragana Mladenovic. „ einen legionär /und hat ihn in der kirche getauft / auf den namen simeon … aber für mich ist das /langweilig deshalb / stelle ich mir vor / ich sei / ein mädchen / aus der nachbarschaft“. Der ganze Balkan ist ein gewaltiger Poesieraum, was Serbien als Gastland der nächste Woche beginnenden Leipziger Buchmesse ganz besonders unter Beweis stellen wird: Welcher Reichtum findet sich etwa in der Anthologie „Eintrittskarte“, die ein Panorama der Lyrik des 21. Jahrhunderts entwirft.
Doch es ist unmöglich, all das, was einem an junger serbischer Lyrik begegnet, losgelöst vom Poesiediskurs in ganz Ex-Jugoslawien zu betrachten, so eng verwandt sind die slawischen Sprachen Südosteuropas, als dass keiner den anderen nicht nicht verstünde, zu eng sind die Kulturlandschaften dies- und jenseits von Donau, Save, Morawa und Drina verflochten.
Ein Beispiel für die Verschmelzung vieler Orte in einer Person ist Lidija Dimkovska, 1971 im makedonischen Skopje geboren, in Bukarest promoviert, der Liebe wegen (wenn man ihren Gedichten glaubt) in Ljubljana ansässig. Ihre Verse sind wilde Jumpcuts, die ungebändigt die Widersprüchlichkeit des postkommunistischen Lebensgefühls einfangen. / Jan Röhnert, Tagesspiegel
Dragana Mladenovic: Nachbarschaft. Gedichte. Aus dem Serbischen von Jelena Dabic. 160 Seiten, 16 €.
Lidija Dimkovska: Anständiges Mädchen. Gedichte. Aus dem Makedonischen von Alexander Sitzmann. 164 Seiten, 16 €. Beide bei Edition Korrespondenzen, Wien 2011.
Dragoslav Dedovic (Hg.): Eintrittskarte. Serbien: Panorama der Lyrik des 21. Jahrhunderts. Zweisprachige Ausgabe. Drava Verlag, Klagenfurt 2011. 359 Seiten, 29,80 €.